Die neuen deutschen Ausgaben der zwei- und dreistimmigen Inventionen. Von Reinhard Oppel, Bonn. Der Periode, in der Bach die zwei- und dreistimmigen In ventionen schuf, kann nach ihrer inneren Tragweite kaum eine zweite an die Seite gesetzt werden. Nach drei Gesichtspunkten hin schloß Bach mit ihr seine bisherige kompositorische Tätig keit bewußt ab: einmal hatte er für die Klavierinstrumcnte einen Fingersatz gefunden, der seiner thematischen Erfindung und Arbeit die größte natürliche Ausdehnung sicherte und die Lösung aller später im wohltemperierten Klavier und ander wärts niedergelcgtcn kontrapunktischen Probleme garantierte: zum andern hatte er den Rahmen der gebräuchlicheren Ton arten in harmonischer Beziehung so allseitig und gründlich fcstgclegt, wie nie jemand zuvor in solch absichtlicher Weise. Zum dritten war ihm klar geworden, welche Formen vor nehmlich seinen innern Entwickelungsbedingungen, seinem Werdegang und seiner musikalischen Mission entsprachen oder in dieser Richtung lagen. Scheinen diese Gesichtspunkte in Bachs eigner Vorrede zu den Inventionen auch etwas ver steckt zu sein, um so offener predigt sie uns jede einzelne Nummer des Werkes selbst. Niemals wieder ist eine musikalisch pädagogische Absicht in einem so vollendet künstlerischen Gewände verwirklicht worden. Das musikalische Lpfer und die Kunst der Fuge waren nach Bachs eigner Auffassung und Bestimmung mehr theoretische Werke; das wohltemperierte Klavier muß trotz seines lehrhaften Beigeschmacks in erster Linie als der Felsenbau gelten, den ein Genie hinstellt, damit die Nachwelt ewig gültige Maßstäbe für ihr künstlerisches Dichten und Trachten gewinnt; und das trotz d'Alberts großmütiger Vorrede zu seiner Ausgabe, auf