Kleine Beiträge IJ2 füllen und eine graduelle Verminderung des Arbeitsaufwandes in den späteren Jahren deutlicher erkennen lassen: 1723/24 Bereitstellung von zwei Figuralstücken pro Sonn- und Festtag durch Neukomposition bzw. Eingliederung vorhandener Werke 1724/25 Neukomposition eines Choralkantatenzyklus 1725/27 Aufbau eines weiteren (dritten bzw. vierten) Zyklus 1728/29 „Picander-Jahrgang“. Inwieweit jeder der insgesamt fünf Zyklen jemals komplett Vorgelegen hat, ent zieht sich unserer Kenntnis. Es ist durchaus plausibel, daß in allen Jahrgängen kleinere und größere Lücken bestanden (vgl. etwa die Unterbrechung der Kom position von Choralkantaten um Ostern 1725), die gegebenenfalls nur teil weise oder aber auch nie durch bereits Vorhandenes bzw. spätere Nachkompo sition ausgeglichen wurden. Auch scheint der „Doppeljahrgang 1723 24“ schon zu Bachs Zeiten in zwei getrennte Einheiten aufgespalten worden zu sein. Denn bei fast allen nachweislichen Doppelaufführungen im Jahre 1723/24 stammen die erhaltenen Originalquellen nur jeweils eines der beiden Werke aus dem Erbteil C. Ph. E. Bachs; das heißt, der aus der Spaltung des Doppeljahrgangs hervorgegangene fünfte Jahrgang gelangte bei der Erbteilung in andere Hände. Das Schicksal der Spaltung traf gelegentlich auch zweiteilige Kantaten, wie das Beispiel von BWV 76 mit den Aufführungen nur des zweiten Teils im Zeit raum 1724/25 sowie des ersten Teils zum Reformationsfest in den 1740er Jah ren zeigt. Obgleich man gewiß mit relativ häufigen Aufführungen von je zwei Kantaten pro Gottesdienst rechnen muß, gibt es doch keine Anzeichen dafür, daß der Doppeljahrgang in seiner ursprünglichen Form während Bachs Amtszeit noch einmal aufgeführt wurde, wie überhaupt die anfängliche Jahrgangsgliederung einer flexibleren Auswahl je nach dem Bedarf gewichen sein dürfte. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob man nicht deutlicher als bisher zwischen zwei funktionsverschiedenen Kantatenaufführungen differenzieren sollte 5 : Welches Werk wurde bei nachweislichen Doppelaufführungen vor und welches nach der Predigt musiziert? Ins Blickfeld rückt die Doppeljahrgangs hypothese außerdem den vorleipziger Überhang von Kantatenkompositionen, die vor allem mangels erhaltener Originalquellen keinem bestimmten Jahr gang zugeordnet werden konnten, jedoch als möglicher Bestandteil des „Dop peljahrgangs 1723/24“ zu reklamieren wären (* = Weimarer Werk): BWV 80b (zum Teil*) + 163*, 61* + 132*, 95 + 161*, 134 + 158*, 166 + „Leb ich, oder leb ich nicht“*, 54* (De-tempore-Einordnung ungewiß). Darüber hinaus sollten sich von Bachs fünftem Kantatenjahrgang noch weitere Spuren aufdecken lassen. Christoph Wolff (Cambridge, MA) 5 Zum Problem der Doppelaufführung allgemein vgl. Alfred Dürrs Beitrag im Bericht über die Wissenschaftliche Konferenz Zum III. Internationalen Bach-Fest der DDR Leipzig 1975, Leipzig 1977, S. 165-172.