IQ Gregory G. Butler lären Liedersammlung offensichtlich nichts zu tun hatte, bietet sie doch einen entscheidenden Ausgangspunkt für unsere Untersuchungen. Georg Kinskys 5 An nahme, daß der Leipziger Stecher Johann Gottfried Krügner (etwa 1684-1769) 6 für die Herstellung der Notendruckplatten verantwortlich sei, gründet sich auf die Tatsache, daß - laut Signatur - das zugehörige Frontispiz von Christian Friedrich Boetius (1706-1782) 7 gestochen wurde. C. F. Boetius war ein Schwager Krügners, der 1726 die Tochter des Leipziger Buchhändlers Johann Theodor Boetius geheiratet hatte. Ein eindeutiger Beleg für Krügners Beteiligung am Stich der „Singenden Muse“ findet sich zwar erst in einer späteren Auflage der Sammlung. Jedoch läßt Krügner sich in der Tat auch nachweisen als Stecher von mindestens zwei Sätzen der Erstausgabe, Nr. 2 und 22 (Abb. ic). Dies geht aus dem Vergleich mit dem Notenstich in Georg Friedrich Kauftmanns Orgel choralsammlung Harmonische Seelen Lust (ab 1733 in Lieferungen erschienen; Abb. ia) sowie in der 1747 erschienenen Neuausgabe der Sperontes-Sammlung (Abb. id) hervor. In beiden Fällen hat Krügner die Platten signiert. Alle drei Beispiele zeigen den überaus sauber ausgeführten Stich mit seinen großen, run den Notenköpfen, wie er für Krügner so charakteristisch erscheint. Typisch für ihn ist beispielsweise die Form des Be-Vorzeichens mit Hakenansatz sowie die Gestaltung und Anordnung von Buchstaben und Zahlen. Bekannt ist Krügner vor allem als geübter Bildreproduktionsstecher; es genügt, auf seine berühmten Stiche des Thomaskirchhofs von 1723 (Abb. 2a) und der renovierten Thomasschule von 1732 hinzuweisen. 8 Das Reproduktionsverfahren wurde mit Hilfe der Radiertechnik durchgeführt, bei der die Bildvorlage durch Pausen auf die Stichplatte kopiert und durch Ätzung fixiert wurde. Dasselbe Verfahren wandte man auch beim Notenstich an, so daß die Stichvorlage des Notentextes direkt auf die Platte kopiert wurde. 9 Das Notenbild des Stiches gibt auf diese Weise getreu seine Manuskriptvorlage wieder. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, unter Umständen den Schreiber eines Notentextes oder sogar den Komponisten allein aufgrund des Stichbildes zu identifizieren. Auf der anderen Seite erschwert es die Identifizierung des Notenstechers, da sich dessen Stilmerk male in vieler Hinsicht mit dem Wechsel der Vorlage wandeln. Nichtsdesto weniger deuten die drei oben angeführten Beispiele von Krügners Notenstich an, daß seine Arbeiten unübersehbare Qualitätskonstanten bewahren. Aus der Tatsache von Krügners Beteiligung am Stich der Singenden Muse 1736 ff. ist wohl zu folgern, daß die gesamten Herstellungsarbeiten in seiner Werkstatt bzw. unter seiner Leitung durchgeführt wurden. Drei seiner Mit arbeiter oder Gesellen lassen sich mit Gewißheit namentlich feststellen: sein 5 Kinsky, S. 97, Anm. 52. 6 Er war Sohn des Dresdner Kammermusikus und Zinkenisten Salomon Krügner; vgl. G. Wustmann, Der Leipziger Kupferstich im 16., 17. und 18. Jahrhundert, = Neujahrs blätter der Bibliothek und des Archivs der Stadt Leipzig, III, 1907, S. 38, 42, 65 ff.; U. Thieme und F. Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 22, S. 1; Kinsky, a. a. O., S. 97. Zu Bachs Beziehungen mit Krüg ner vgl. auch Dok II, Nr. 377, 381. 7 Zur Biographie vgl. insbesondere G. Wustmann, a. a. O., S. 80 f. 8 Dok IV, S. 174, Nr. 264, sowie S. 243, Nr. 413. 9 Vgl. insbesondere die Angaben im Krit. Bericht NBA VIII/1 (C. Wolff), S. 52 ff.