Zur sogenannten ,,Bach-Brille“ Von Hilmar Körner (Berlin) Hinter seinem gewaltigen, die Jahrhunderte überdauernden Werk scheint der Mensch Johann Sebastian Bach gleichsam in den Hintergrund zu treten. Bei den Versuchen neuerer Autoren, ungeachtet der recht lückenhaften Über lieferungen ein lebendiges Bild von ihm zu zeichnen, spielen Überlegungen zu Bachs gesundheitlichem Befinden, insbesondere zu seinem Augenleiden, keine geringe Rolle. Einschlägige Quellen haben dabei zu unterschiedlichen Mutma ßungen Anlaß gegeben. Im Zusammenhang mit Heinrich Besselers Arbeit über „Fünf echte Bildnisse Johann Sebastian Bachs“ hat auch der namhafte Ophthalmologe Ernst Engelking seinen Standpunkt zu diesem Themenkomplex dargelegt. In seinem Gutachten erwähnt er eine Brille, die nach seiner Auffassung mit größter Wahrscheinlich keit Johann Sebastian Bach gehört habe. Diese Brille hat zur Beurteilung Vorgelegen. 1 Sie weist zwei charakteristische Merkmale auf: die als Doppelstangen gestalteten Bügel und zwei ausklappbare Blendschutzgläser. Fassungsmittelteil und Bügel bestehen aus Schildkrot (Schildpatt). Alle Scharniere und die Fassungsränder, die die Blendschutzgläser halten, sind aus Messing gefertigt. Der Mitten abstand beider Gläser beträgt 61 mm, die Stegweite mißt 29 mm. Beide Gläser sind rund geformt und haben einen Durchmesser von 32 mm. Der Fassungsrand weist eine Dicke von fast 2 mm auf. Der rechte Bügel hat die Ausmaße 110 mm / 56 mm, der linke von 113 mm / 54 mm. Der erste Wert gibt die Länge vom Mittelteilscharnier bis zum Bügelgelenk an, der zweite Wert von dort bis zum Bügelende. Die Gesamtbreite des Fassungsmittelteils beträgt 119 mm. Aufgeklappt haben die Bügel im Bügelgelenkbereich eine maximale Entfernung von 130 mm, während sich die Bügelenden ausgeklappt auf 71 mm nähern. Die gefaßten Blend schutzgläser haben einen Durchmesser von 31 mm und liegen dem Fassungsrand augenseitig auf. Die Fassungsränder der Blendschutzgläser haben eine Dicke von 1,5 mm, sie sind an den Scharnieren des Mittelteils befestigt und können von innen nach außen zu den Bügeln hin weggeklappt werden. Diese Gläser weisen einen blaugrünen Farbton auf, der einem Ab sorptionsgrad von etwa 50 % entspricht, wobei das rechte Glas etwas weniger stark absor biert als das linke. Ihre optische Güte ist nicht völlig gleichmäßig, sie entspricht im wesent lichen der Wirkung plan. Der Steg der Brille weist einen durchgehenden Bruch auf, der von frontal betrachtet etwas mehr links gelegen ist. Eine dem Steg nachgefotmte frontal aufge setzte dünne Messingplatte, die jederseits mit zwei Stiften im Material befestigt ist, hält beide Fassungshälften zusammen. Am rechten oberen und linken unteren Fassungsrand findet sich jeweils ein durchgehender Sprung. Die Stärke der Gläser in Dioptrien (dpt.) be trägt annähernd rechts und links +2,0 kombiniert mit Zylinder annähernd +0,5. Eine An gabe der Achsenlage erübrigt sich, weil die Gläser nur sehr locker in den gesprungenen Fassungsrändern gehalten werden und damit drehbar sind. An der Brille finden sich Spuren der Abnutzung, was auf einen längeren Gebrauch schließen läßt. Hinsichtlich der zeitlichen Einordnung dieser Brille könnten folgende Überle gungen weiterführen. In der Literatur liegen Angaben vor über eine Veröffent- 1 Prof. D. Dr. Christhard Mahrenholz, Hannover, hatte sie als seinerzeitiger Besitzer freund licherweise zur Verfügung gestellt, wofür hier sehr herzlicher Dank ausgesprochen sei.