STÄNDIGE BEILAGE ZU DEN .TYPOGRAPHISCHEN MITTEILUNGEN« Fachmitteilungen für die deutschen Korrektoren Herausgegeben von der Zentralkommission der Korrektoren Deutschlands Vorsitzender: Artur Grams, Berlin C 54, Gipsstraße 12, III rechts. Verantwortlicher Schriftleiter: Friedrich Oberüber, Berlin-Neukölln, Bergstraße 76/77, III Mai 1926 * Achtzehnter Jahrgang * Nummer $ Der Jammer in unsrer Rechtschreibung Von Max Sahlmann, Dresden II. Geht schon In den Werk-und Akzidenzdruckereien in bezug aufRechtschreibung manchmal alles drunter und drüber, so erreicht dieser Wirrwarr seinen Höhepunkt in den Zeitungsdruckereien. Im Anzeigenteil beherrscht der Auftraggeber ganz allein das Feld. »Der Mann verlangt es, daß das so gedruckt wird, folglich wird es auch so gemacht. Duden? Ach was, Duden! Wenn wir es nicht machen, geht der Mann eben mit seiner Anzeige woanders hin. Da bekommt er’s, wie er’s haben will.« Und so finden wir, daß das eine Kaufhaus Lederwaren in Maroquin empfiehlt, während das zweite solche aus Maroquain, das dritte aus Marohain und das vierte gar aus Marokän verkauft. Das will weiter nichts besagen, gemeint ist das gleiche, nur der Leser und Käufer muß sehen, wie er sich da durchfindet. Zu den Selbst verständlichkeiten gehört es heute, daß in ein und derselben Zeitung Telephon und Telefon, Photograph und Fotograf Bureau und -Büro, Kontor und Comptoir friedlich nebeneinander stehen. Lieber Korrektor, der du hier bessernde Hand anlegen willst, nimm dich in acht! Was verstehst du von den Schönheiten der deutschen Sprache! Du öder Gleich macher! Wutschnaubend kommt so ein »angenehmer« Kunde den andern Tag an gesaust, und nachdem du den »Hering« eingesteckt hast, weil»es doch ganz deutlich dasteht«, hältst du kurze Zeit später wieder dasselbe Manuskript in Händen, nur ein kleiner Vermerk ist angebracht: »Wegen Druckfehlers am soundsovielten April noch einmal umsonst.« Siegesbewußt verläßt der Kunde das Haus. Das wäre ja auch noch schöner, er »kann doch für sein Geld drucken lassen, was er will«! Ganz haarig geht es bei den Stoffbezeichnungen derTextihvaren zu. Soviel Läden in der Stadt, soviel Schreibarten. Kreton und Cretonne, Pikee und Pique, Voile und Wal streiten sich um die Ehre der Richtigkeit. Mehr Beispiele kann ich leider hier nicht anführen, weil sonst eine Sondernummer der »Fachmitteilungen« not wendig wäre. Daß aber neben Zigarrren und Zigaretten auch noch Cigarren und Cigaretten verkauft werden, kann uns nicht mehr weiter verwundern. Von einer einheitlichen Schreibung ist also hier ganz und gar keine Rede. Hier regiert die Dummheit und das Geld. — Na, da ist es doch wenigstens der textliche Teil, der streng nach den Regeln der Rechtschreibung der deutschen Sprache zu behandeln ist? Du lieber Himmel, wenn es da bloß nicht verschiedene Redakteure gäbe! Hier kommt eine sehr ernste Seite der ganzen Sache zur Sprache. Daß die eine Zeitung amOrte durchgängig-Dürassion schreibt, während die andre von ein erDemission spricht, daß die eine Dawes-Plan schreibt und die andre Dawesplan usw., nimmt nach dem vorher Gesagten nicht mehr wunder. Wenn aber in ein und derselben Zeitung verschiedene Schreibweisen nebeneinander laufen, so ist das ein Skandal,