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Das Schiff
- Bandzählung
- 1930
- Erscheinungsdatum
- 1930
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. 4. 6055-27.1930
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512045739-193000009
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512045739-19300000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512045739-19300000
- Sammlungen
- Gebrauchsgraphik
- LDP: SLUB
- Bemerkung
- Ohne Heft 2
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Ausgabebezeichnung
- 12, Dezember
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Titel
- Das Schiff
- Autor
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Die Welt ist Jaggernaut.« Er schwieg. Der Fakir kreuzte seine Arme über der hochklopfenden Brust, er sah fragend zu dem weißen Haare des Vaters empor. »Ist die heilige Stadt Jagger naut eine Lüge und die Welt ist Jaggernaut?« Der Brahmine neigte sein Haupt und sprach: »Es war am selben Tage, wo sie mir am Morgen sagten, drei meiner Söhne seien gefallen, und wo ich am Nachmittage die blutenden Glieder der andern drei mit diesen meinen eignen Augen in die Lüfte ver streuen sah, da wankte ich nach meiner Hütte, warf mich zur Erde, hob die geballten Hände empor und verfluchte die Mörder, bis mir die Augen rollten, der Geifer vom Munde rann, ein Krampf die Nägel der geballten Fäuste tief ins eigene Fleisch trieb und ich besinnungslos mit dem Kopf an die Erde schlug. Da kam mir’s: die Welt ist Jaggernaut! Über mich kam’s wie Gewittersturm, und ich sah im innern Lichte die Erde vor mir liegen! Lebendig ward es rings, zwischen allen Stämmen brach es hervor wie Ameisengewimmel, endlos — Menschenwoge auf Menschen woge! Und an was sie herankamen, das sogen sie ein, wie die Feuer zungen eines Waldbrandes, über dem Walde lohte es empor wie Feuerrote, rauchiger Brodem wehte herüber, Wehgeschrei und Stöhnen,Wutschrei und Jubel mischten sich in der Luft, und end los, endlos schoben sich die Massen heran und vorbei! Was sie in ihrem Drängen, Zerren und Stoßen und Stemmen bewegten, ich wußte es nicht. Ich sah Tausende wie Tiere in einem Knäuel vorüberpeitschen, andere aus tiefer Brust aufstöhnend vorwärts stürzen, still zogen andere dazwischen hin — alle einen Weg; oft kräuselte eine Woge empor in dem Strome, da, wo ein Knäuel dazwischenstürzte, um das Andringen zu hindern, wo eine Masse sich sperrte und festsetzen wollte, da gellte es jedesmal auf vom Kampfgeschrei, aber wenn ich wieder mein Auge nach der Stelle wandte, da war die Woge geglättet und endlos wieder, wie früher, endlos zog es vorüber. Der heiße Hauch der Brandluft schlug an meine Schläfen, die wild unter meinem wirren Haare pochten — und da, da tauchte ferne noch am Horizont ein steinernes Antlitz empor, keinem unserer Götterkolosse vergleichbar, das Gesicht eines Weibes, ernst, still, feierlich, mit geschlossener Lippe, die Augen sahen groß und gewaltig in die Ferne, die Brauen waren leidenschaftslos gebogen, keine Falte auf der klaren Stirne, gewaltige Haarwellen und ein eherner Helm deck ten das Ohr des gewaltigen Weibes, und was unter ihr aufschrie vorWeh und Jammer, das mochte wohl nur wie der schwache Laut eines Neugeborenen zu ihr emporklingen. Und immer vor über wälzten sich die Massen, und das Götterantlitz stieg höher am Horizont, der Nacken ward sichtbar, ein erhobener Arm, halb weisend, halb befehlend, vorgestreckt, vier Finger der Hand waren lässig gebogen, eine warnende Abwehr, als wollte sie deuten, an sie reiche nichts; dann erschien die Büste in Erz ge kleidet — höher und höher tauchte das Götterbild auf, der linke Arm sank herab in die Falten des Unterkleides, in das zwei Finger kniffen, eine ruhig zuwartende Gebärde . . . und jetzt wurde auch der Wagen sichtbar, auf dem das Götterweib stand, die Flammen, die rings an Dörfern und Städten, an Hütten und Tempeln leckten, färbten das steinerne Bild, purpurn war der Saum ihres Kleides, und im wirbelnden Rauche spielten sanf tere Lichter hinan an die riesige Gestalt, röteten die Arme und das Antlitz, und wie lebendig nahte ruckweise das Götterbild. Da war’s, obwohl ich es vor mir sah, als läge es Jahrhunderte noch weg von mir, und ich sah, wie es einen Hügel niederbog, wie der Wagen von selbst ins Rollen kam, wie unter seinen Rädern die Nächsten zuckend zermalmt wurden, wie aber andere die Hände frei bekamen, wie sie über ihre Peiniger, ihreTreiber, ihre Quäler herfielen und ein entsetzliches Gericht hielten, und wie in all dem Greuel still und gewaltig die Gottheit langsam den Plan herunterrollte, unaufhaltsam, gottgewollt. Näher noch kam’s, wieder ging’s den Hügel aufwärts, ich sah, wie sie herandrängten an die Räder, wie manche in die Speichen griffen und wie ein Ruck sie zermalmte, wie andere an dem Rade schoben und wie sie das herumriß; Blut, Schweiß und Gehirn netzten die Radnaben des furchtbaren Wagens, der in der Furche von zermalmten Leibern unhörbar und erschreckend schnell herankam. Tiefer Schauer ergriff mich, ich taumelte und hielt mich an die Nächsten, die drängend und schiebend vor überkamen. Wie heißt die Gottheit? fragte ich wirre . . . Frei heit, Fortschritt! — Das klang weich und mild. Ich taumelte an einen dritten und frug ihn das gleiche, und er gab in germani scher Zunge Bescheid, das Wort klang ehern, und es war, als wüchse eine Silbe aus der andern heraus: Entwicklung! Entwicklung! Ja, so muß die Furchtbare heißen, der Geschlecht um Geschlecht in peinvollem Müssen oder sehnsuchtskrankem Wollen den Wagen dahinrollen muß bis zu ihrem Tempel. So muß sie heißen, die Gottheit, von der wir ahnen, daß sie über all, wo Wesen atmen, auch da oben auf den flimmernden Sternen mit blutigem Wagen ihre Spuren zieht, fort und fort, bis der Stern erlischt und seine Wesen verwehen und ihr Bild dann einsam inmitten der Trümmer einer Welt steht, entweder weit abseits am Wege oder im verlassenen Tempel, immer noch die Linke zuwartend gesenkt, immer noch die Rechte weisend ge hoben, stets bereit, wenn die tote Welt etwa zu neuem Leben aufleuchtet, den Wagen wieder ins Rollen zu bringen. Fragst du aber nach dieses Ringens Preis, ob nun der Göttin Siegeswagen gehemmt, oder am Ziele verlassen auf den ver loschenen Sternen steht? Die Göttin weigert dir die Antwortend alle Götterbilder dieser Erde, sie zeigen einen ernstgeschlossenen Mund. Die schlauen Griechen ersparen den stummen Göttern die Ant wort, indem sie über sie ein Letztes setzten, verschleiert, streng und kalt, unnahbar, an das keine Frage heranreicht, das Fatum! Das Ringen aber bleibt keinem Geschlecht erspart, nicht die Drangsal an den Drängern, nicht der Kampf gegen jene, die den Strom stauen wollen. Die Welt ist Jaggernaut, und sie hat eine strenge Gottheit. Die Welt ist Jaggernaut!« W- C- Literatur Daß die Reklame oft Blüten treibt, die nicht mehr schön sind, weiß man. Audi auf dem Gebiete des Buchhandels, und nicht nur im Ausland. Die Geschmacklosigkeit ist international. Aber wie oft auch marktschreierisch ein Buch angepriesen werden mag, so weit ist man in Deutschland doch noch nicht gekommen wie in Amerika, denn von dort wird gemeldet, daß ein Klosett papierfabrikant auf seinen Fabrikaten zwischen jedem dritten Abreißblatt eine besondere bedruckte Seite einlegt, auf der in einwandfreiem Druck kürzere Erzählungen beliebter Schrift steller eingefügt werden. Dem Bericht über diese Reklame wird hinzugefügt, daß die Maßnahme sich sehr absatzfördernd ausgewirkt habe. Das mag im Interesse der Klosettpapierfabriken erfreulich sein, für die amerikanische Literatur und den amerikanischen Geschmack dagegen — wenn von einem solchen in diesem Zusammenhänge überhaupt geredet werden kann — ist es nur tief bedauerlich. Diese Art der Reklame gibt allen denjenigen recht, die vor einer gedankenlosen Nachahmung der amerikanischen Reklame war nen. Es beweist aber auch, auf welche Abwege die Reklame geraten kann, und was man sich alles von ihr bieten läßt. Sollte etwa auch dieses Beispiel amerikanischer Reklametüchtigkeit in Deutschland Nachahmung finden, dann wäre es an der Zeit, daß alle, die überhaupt noch ein Interesse am deutschen Buch und an der deutschen Literatur haben, dagegen energisch Stel lung nehmen. — Interessant wäre zu wissen, wie sich die ameri kanischen Schriftsteller zu dieser »Volkstümlichmachung« ihrer Werke stellen Bis jetzt las man nichts davon. Fritz Hansen, Berlin Umschlagentwurf: Kollege Karl Zeuch in Kassel. Schrift: Radio und Berthold-Grotesk der Schriftgießerei H. Berthold. AG., in Berlin Die »1 ypographischen Mitteilungen« erscheinen monatlich einmal im Verlage des Bildungsverbandes der Deutschen Buehdrucker, G. m. b. H. / Bezugspreis vierteljährlich 4,20 Mark, Einzelheft 2 Mark, ohne Porto / Herausgeber: Bruno Dreßler / Verantwortlicher Schriftleiter: Artur Grams / Verantwortlich für die Anzeigen: Otto Schröder / Sämtlich Berlin SW61 / Druck: Buchdruckwerkstätte, G.m. b. H., Berlin SW61, Dreibundstraße 5
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