wohl, daß ein großes Kulturvolk in der vielfarbigen Mannigfaltigkeit seiner pro duktiven Schichten nicht die Handhabe besitzt, in solch solenner Stunde unmittelbar zu Wort zu kommen. Aber es gibt Medien, in denen die nebelhaft gefühlsmäßigen Rechtsvorstellungen und rechtlichen Forderungen der Bevölkerung sublimiert, in denen ihre Ausstrahlungen wie in einer Linse gesammelt erscheinen. Und das macht das Wesen der Gratulantin aus, die durch meinen Mund um Ihr Gehör bittet, das Wesen der Zunft der Rechtsgelehrten deutscher Nation, die in der lockeren Verbrüderung der deutschen Rechtsfakultäten organisiert und verkörpert ist. Sie sind als Anstalten des Rechtsunterrichts staatliche Behörden, aber ihre Mitglieder sind als Erforscher und schriftstellerische Darsteller des Rechts freie Männer des Volks, und auch der wissenschaftliche Weg, die Methode, die sie dabei verfolgen, sind seit Generationen immer die gewesen, den eigentlichen Metallgehalt der Rechtsgedanken nicht nur in der formalen Ausprägung des Gesetzeswortes, sondern vor allem in den freislrömenden Rechtsempfindungen, Rechtsüberzcugungen, Rechtswillcnsregungen des Volks aufzusuchcn und unter Umständen auch kritisch gegenüber dem Gesetz zur Geltung zu bringen. So ist der Rcchtsgclehrtenstand nicht nur die Schule des Rechts, aus der in letzter Linie auch spätere Reichsgerichts räte hervorgegangen sind, sondern darüber hinaus das eigentliche Organ, das Mundstück volkstümlichen Rechts, nach dem sich auch eine Justiz, besonders eine höchste Justiz bewußt orientieren wird. Von Rechts wegen dürste ich nun freilich bloß als Vertreter der einen unter den drei undzwanzig juristischen Fakultäten Deutschlands, als Leipziger Dekan, das Wort ergreifen. Aber im vergangenen Sommer bat eine Zusammenkunft aller Dekane, die zur Beratung der uns zur Zeit besonders bewegenden Lebensfragen des akade mischen Rechtsunterrichts in Berlin zusammcngelreten war, dem Sprecher der jenigen Schwestersakultät, die mit der Jubilarin Wohnsitz und Wirkungskreis teilt, die Ermächtigung eingerüumt, dem Gerichtshof in seiner Lhrcnslundc die gemein samen Grüße und Wünsche ihrer aller zu entbieten. Auch die zu unserer Freude unter uns erschienenen Dekane der österreichischen Fakultäten haben sich dieser solidarischen Vertretung eingeordnet. Und so unterziehe ich mich mit dankbarer Genugtuung der ehrenvollen Pflicht, die uns Leipzigern die Gunst gewährt, das Reichsgericht mit dem feierlichen Hcilrus der gesamten rechtsgelcbrten Brüder schaft zu grüßen und gleichzeitig mit ihm einen stillen Händedruck mitbürgerlichcn Nebeneinander- und Zusammenwirkens zu tauschen. Lin Drittes ist fast notwendig darin eingeschlossen: Da unsre alte Leipziger Korporation auch bei diesem Anlaß nur eines der dienenden Glieder der Oniversitas Literarum bleibt, hat das derzeitige Haupt der -VImn mittoi-, unser Magnisikus IN . Römer, mich beauf-