WESEN UND BEDEUTUNG DER GEBRAUCHSGRAPHIK Es ist eine etwas befremdlich anmutende Erscheinung, daß über das Wesen, das Alter und die Bedeutung eines so lebensnahen und weitverbreiteten künstlerischen Betätigungszweiges wie der Ge brauchsgraphik noch vielfach recht unklare und verworrene Mei nungen herrschen. So wird sie fälschlicherweise oft mit der Werbe graphik gleichgestellt, die indes nur ein Teilgebiet des großen ge brauchsgraphischen Arbeitskomplexes ist, oder man pflegt sie auch häufig als einen ganz neuzeitlichen künstlerischenZweig graphischen Schaffens einzuschätzen und in ihr nur eine natürliche Folgeerschei nung unserer modernen Wirtschaftsentwicklung und der damit verbundenen Werbemethoden zu sehen. Wohl ist es zutreffend, daß die Gebrauchsgraphik erst seit etwa der Jahrhundertwende ihren allgemein bekannten und rapiden Aufschwung genommen hat, aber die Sache selber ist uralt und kann — sofern man unter Ge brauchsgraphik jede Form der angewandten und zweckgebundenen Graphik versteht — auf eine fast zweitausendjährige Vergangenheit zurückblicken. Neuzeitlich daran ist nur die Wortprägung Ge brauchsgraphik, die erst vor rund 45 Jahren aufkam und ihre Ent stehung dem um die historische Erforschung dieses Gebietes hoch verdienten Fachkenner Walter von Zur Westen verdankt, der diese neuartige Bezeichnung kurz nach der Jahrhundertwende als erster in die einschlägige Fachliteratur einführte. Das Wort Gebrauchsgraphik klingt ein wenig hart und spröde, trifft aber in seiner Prägnanz durchaus den Kern der Sache, indem es ein deutig festlegt, daß es sich hier um eine Graphik handelt, die ge braucht wird. Im Gegensatz zur freien Graphik, die dem unge hemmten künstlerischen Schöpferwillen ihre Entstehung verdankt,