Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.09.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-09-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190909029
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- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090902
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-09
- Tag1909-09-02
- Monat1909-09
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Ll» Bngelae Nummer kostet kV 2^ Nrdettton imd BrschLftäfteller Johannitgasie 8. Ferniprechei! 14692, I4SS3. 14604. NWMrTilgMaü Handelszeitnng Ämlsbsatt des Rates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Auzeige«'PreiS stk Inserate an« lleipmg und Umgeb«», die S-eivalten, Petitgeil« 22 finanzielle Lngeigea 20 2^, Neklamen l von »ulwtrt« 60 2^, Neklamen 1.20 ^gl dem «utland SOftnan». Anzeigen 722g, Reklamen 1.20 Inserate». Behdrden im amtlichen Lei!40 2g. Beilagegebühr 2 ^4 p. Tauten» exkl. Post gebühr. »eschäsisanzeigen an bevorzugter Stell« im Preis« erhäht. Rabatt nach Tarn Festerteilt« Aufträge kännen nicht zurück gezogen werden. Für da« lirschetnen an bestimmten Lagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme« Augustuüplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Lxpeditionen de« Ja» und Auglande«. Haupt-Filiale Verls»« Lützowstrahe 10. (Telephon Vl, Nr. 4603). Haupt-Filiale DreSdem Seestrabe 4,1 (Telephon 4621). Nr. 243. Donnerstag 2. September 1909. 183. Jahrgang. Das Wichtigste. * „L- Hl" ist an» Mittwoch abend kurz vor n Uhr von der Landungsstelle bei Bülzig ausgestiegen nud hat die Fahrt «ach Friedrichshafen angetreten. (S. Letzte Dep.) * In Chemnitz wurde gestern das König-Albert- Museum und das neue Stadttheater eingeweiht. sS. d. bes. Art. 3. Beilage.) * Die Hamburg-Altonaer Zigarrenfabrikanlen haben sich infoltze der neuen Tabaksteuer gezwungen gesehen, eine beträchtliche Produktionseinschränkung vorzunehmen. Zahlreiche Arbeiter wurden bereits entlassen. sS. Dischs. R.) * Dem offiziösen „Wiener Fremdenblatt" wird auf Grund zuver lässiger Informationen aus Konstantinopel gemeldet, daß Rußland die Dardanellenfrage nicht aufgeworfen habe und gegenwärtig auch nicht aufzuwerfen beabsichtige. * Die „Times" erfährt aus Petersburg, daß in dortigen Amtskreisen der Glauben an die bevorstehende Abdankung des Königs von Griechenland fortbesteht. Die Königin hält sich gegenwärtig bei ihrem Bruder, dem Großfürsten Konstan tin, auf, wohin ihr die übrige Familie folgen wird, falls der König abdanken sollte. Weiteres s. Ausl.) * Nach amtlichen Meldungen aus Konstantinopel sind die Auf ständischen in Jemen von den türkischen Truppen ins Gebirge znrückgetrieben worden. * Wie aus Kopenhagen gemeldet wird, will der amerikanische Forschungsreisende Dr. Cook auf einer Nordpolexpedition am 21. April 1908 den Nordpol erreicht haben. sS. Letzte Tep^ Allerhand Proletarier. Es sind jetzt nicht mehr die Chinesen und Japaner allein, die sich über die Einwanderungsgesetzgebung der Vereinigten Staaten zu be- klagen haben; jetzt erleben es europäische Proletarier, daß sie von ihren Brüdern jenseits des Ozeans gerade so gut als unbequeme Lohndrücker angesehen werden, die man sich möglichst vom Leibe halten muß, wie ostasiatische Kulis. Nach dem neuen Einwanderungsgesetz wird jeder europäische Einwanderer, der nicht 100 aufweisen kann, wie ein Ge fangener behandelt und zurückgeschickt. In der europäischen Arbeiter presse sind in letzter Zeit eine ganze Anzahl von Fällen erörtert worden, in denen das Einwanderungsgesetz ungemein brutal gehandhabt wurde, oft selbst dann, wenn Verwandte den Ankommenden die erforderliche Summe zur Verfügung stellen wollten. Nun sind gerade die großen gewerkschaftlichen Organisationen in Amerika die Träger der Ein- Wanderungsbeschränkungen und der Verschärfung der bisherigen Im- Migrationsgesetze, und auch die sozialistische Presse leistet dieser Strö mung keinen ernstlichen Widerstand, tritt sogar häufig offen für sie ein. Merkwürdigerweise halten es nun die amerikanischen Gewerk schaften gerade jetzt, wo sich in europäischen Arbeiterkreisen der bitterste Unwille über ihr feindseliges Verhalten in der Einwanderungsfrage geltend macht, für angebracht, ihren Präsidenten Samuel Gompcrs nach der Alten Welt zu senden, um den dortigen „Brüdern" ihre Bereit- Willigkeit zu melden, sich der internationalen Zentrale, von der sie bis- lang nichts wissen wollten, anzuschließen. Gompers ist auf seiner Reise auch nach Berlin gekommen und hat'dort im Gewerkschaftshause einen Vortrag über: „Die gewerkschaftliche Bewegung diesseits und jenseits des Ozeans" gehalten. „Wir sind bereit", erklärte er, „in der inter nationalen Zentrale Schulter an Schulter mit den Arbeitern aller andern Länder zu kämpfen, wenn — wir nach unserer bisherigen Me thode weiter arbeiten können." Ueber diese „Methode" Rechenschaft zu geben, wie ihm von Diskussionsrednern zugemutet wurde, lehnte er schroff ab. Das hat ihm der „Vorwärts" gewaltig übelgenommen. Er spottet über seinen „Speech und sein ganzes Gebaren" und ver urteilt seinen Standpunkt in der Einwanderungsfraae als durchaus unsozialisiisch. Das ändert aber nun einmal nichts daran, daß die ganze amerikanische Arbeiterschaft auf diesem Standpunkte steht, auch die noch unbedeutende sozialistische Gruppe. Und wenn der „Vorwärts" aus guten Gründen dem Brudergruß eines amerikanischen Arbeiterführers mißtraut, der es billigt, daß die Konkurrenz europäischer Arbeitskräfte mit brutalen Mitteln von amerikanischen Arbeitsmärkten möglichst ferngehalten wird, so sollte er auch so ehrlich sein, einzugestehen, daß die Phrase von der internationalen Solidarität aller Arbeiter vor der nüch- lernen Wirklichkeit nicht mehr bestehen kann. Auch bei uns begegnet man in der sozialistischen Literatur hin und wieder Vorschlägen für Ausnahmemaßregeln gegen ausländische Ar beiter. Max Schippe! hat im Septemberheft des Jahrganges 1906 der „Sozialistischen Monatshefte" eine ganze Reihe von Beispielen zu sammengestellt, wo von deutschen Sozialdemokraten eine Ausschaltung ausländischer Arbeiter durch behördliche oder gesetzgeberische Maß nahmen verlangt worden ist. „Der Pole in den altdeutschen Bergwerks revieren, der Italiener bei den Bauten, der Farbige auf den Schiffen wird im Kampfe um Dasein und Brot als ein Schädling und deshalb als ein Feind empfunden, den man sich am besten ganz und gar vom Halse hält", erklärt Schippel. Im April 1900 faßte der Bergarbeiter verband auf einer Tagung in Altenburg einstimmig einen Beschluß, wodurch die Reichsregierung ersucht wurde, „den Import fremdsprachiger ausländischer Arbeiter in die Bergreviere zu verbieten." In Kom- Munalvertretungen kommt es häufig vor, daß von sozialistischer Seite beantragt wird, Unternehmer bei der Ausschreibung öffentlicher Ar beiten nicht zu berücksichtigen, die „vichtdeutsche Gehilfen und Arbeiter in erster Linie beschäftig«»." Schließlich sei daran erinnert, daß die viert« Generalversammlung deS DerbaadeS der organisierten Seeleute Deutschlands im Jahre 190b einen Beschluß faßte, wodurch sie den Zentralporstaud beauftragte, „bei der Reichsregierung dahin vorstellig zu werden, daß die Verwendung von farbiger Mannschaft auf sub ventionierten Schiffen verboten wird." Es ist oft ergötzlich, zu beobachten, wie sich das Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei windet, um seinem Groll gegen die Kon- kurrenz fremder Arbeiter Ausdruck zu geben, ohne au das Dogma des sozialistischen Internationalismus zu rühren. Da wird den Agrariern und Industriellen von Zeit zu Zeit Mangel an Rücksicht auf die Volks gesundheit vorgeworfen, weil sie fremde Arbeiter beschäftigen, die Seuchen einschleppten. Der „Vorwärts" scheint diese Taktik seinen schlimmsten Feinden, den Agrariern, abgelernt zu haben. Nach dem Beispiel der Agrarier eine Sperrung der Grenzen zu verlangen, wagt der „Vorwärts" ja nicht; denn das würde zu offensichtlich gegen einen der ersten Grundsätze der sozialdemokratischen Lehre verstoßen. Man zetert über ein Nebel, wagt aber nicht, das Mittel für seine Abhilfe zu nennen, um nicht gegen das Marxsche Evangelium zu sündigen. Wenn übrigens die deutschen Arbeitgeber ausländische Arbeiter ausschlössen, würden natürlich die deutschen Genossen es mit ihrer internationalen Gesinnung für unvereinbar halten und von Brutalität reden. Mit Gründen der reinen sozialistischen Lehre läßt sich eine Erschwe rung der Einwanderung und des Wettbewerbes fremder Arbeiter gar nicht rechtfertigen. Wenn diese die Löhne drücken, so steht es den organi sierten heimischen Arbeitern frei, sie darüber aufzuklären, und nach der Marxschen Lehre muß ja die Entwickelung der Industrie auch in solchen Fällen von selbst dahin wirken, die Interessen, die Lebenslagen auszu gleichen, und an Stelle der Isolierung der Arbeiter durch die Kon kurrenz ihre revolutionäre Vereinigung durch die Assoziation zu sehen. In Wirklichkeit ist der Marxismus in dieser Hinsicht graue Theorie. Es gibt allerhand Proletarier, und die Interessen der Proletarier ver schiedener Länder stehen einander oft schroff gegenüber. Der englische Arbeiter braucht heute Zölle und Einwanderungsbeschränkungen, um sich gegen festländische Konkurrenten behaupten zu können, und englische Schutzzölle würden die Erzeugnisse festländischer europäischer Arbeiter von manchen Absatzmärkten ausschließen, also deren Arbeitsgelegen heiten vermindern. Die Gegensätze unter den Proletariern verschiedener Länder rühren hauptsächlich daher, daß ihre Fähigkeiten, aus einem be stimmten Lohn den größtmöglichsten Effekt für ihre Lebenshaltung zu erzielen, recht mannigfaltig sind, und überall, wo in das Gebiet einer einheitlich organisierten Aibr - Schaft nationalsrcmde Arbeiter ein bringen, die auf Grund ihrer Naturanlagen zu Bedingungen ihr Leben fristen und sich fortpflanzen können, unter denen die verwöhnteren ein heimischen Arbeiter schlechterdings nicht mehr bestehen würden, da fehlt jede Möglichkeit des Ausgleichs, da kommt es zu einem rücksichtslosen Kampf ums Dasein. Das wollen die sozialistisch gesinnten Proletarier einander nicht eingestehen, und deshalb wird der Widerwille gegen die Konkurrenz fremder Arbeiter gewöhnlich mit moralisierenden Redens arten zu bemänteln gesucht. Besonders kennzeichnend war hierfür der Kampf der arbeiterfreundlichen Liberalen in England gegen die „Chinesensklaverei" in Südafrika hei den letzten allgemeinen Wahlen. Als später Chamberlain im Parlament nachwies, daß von einem Sklavenlos der Kulis in den Minen am Rand gar nicht die Rede sein könnte, antwortete ihm Winston Churchill: „Ich verstehe, daß ein Ge- hirnarbeiter, wenn er keine Vorstellungskraft besitzt, nicht ahnt, wie dem einfachen Manne zumute ist, der nichts zu verkaufen hat, als den Schweiß seiner Stirn, wenn er sieht, wie sich das kosmopolitische Kapital mit den ungeheuren Arbeiterreserven Asiens verbindet. Angst ist es, was ihn beschleicht, und ist diese Angst begründet, so droht die europäische Zivilisation in ihren Grundlagen erschüttert zu werden." H-re -n Lae. (Von unserem Pariser ^.-Korrespondenten.) Paris, 31. August. Pere du Lac, Beichtvater der Armee, Heiratsvermittler des Faubourg Saint-Germain und Modejesuit, ist halboergessen, 74 Jahre alt, in einem Zimmerchen des Krankenhauses der FröreS de Samt- Jean-de-Dieu gestorben. Mit ihm schwindet einer der Hauptakteure jener klerikalen unv auf die Wiedereinsetzung des Königtums abzielenren Militärintrige dabin, die mir der Drcvfuö-Affäre ihr Cnve fand und zur unmittelbaren Ursache des siegreich verlaufenen französischen Kulturkampfes wurde. Es gab eme Zeit, in der alle reak tionären Elemente ihre Hoffnungen in den eleganten Jesuiten- pa'er setzten, in dessen Händen sich die Beförderungslisten des Offizierkorps befinden sollten, und der mit dem Führer der konserva tiven Parlamentarier, dem Comte de Mun, vereint eine Haupianstrengung machte, um auch die unteren Klaffen wieder dem Königmm von Goites- gnaden zurückmgewinnen. Der Graf zog die männliche Arbeiterschaft nach den CercleS catholiques, der Pater die weibliche nach dem Syn dikat de l'Aiguille; die ersteren sahen nach einer Periode des schnellsten Aufschwungs den nicht minder schnellen Niedergang kommen, das letztere besteht als eine soziale Wohlfabrteeinrichtung, in der junge Arbeiterinnen ein geselliges Heim finden, im ursprünglichen Umfang fort, doch obne eine Zentrale politischer Agitation zu bleiben. Der Pater sah sein vielversprechendes Werk, das die Neuherrschast der Kirche über Frankreich beiweckte, völlig zusammen stürzen; ja, sein Buch, in dem er seine LebenSmaximen nieverlegte und die politischen Ziele des JesuitiSmuS mit einem an Naivität grenzenden Freimut schilderte, fand den ärgerlichen Widerspruch seiner Glaubens brüder, die ibn einen alten Schwätzer nannten. Und doch gab e- eine Zeit, wo die Generale der Republik lieber seinen Weisungen folgten als denen des Kriegsministers, und wo er die Schlüssel zu allen Salons der Hauptstadt, ja auch zu den BouvoirS der Gattinnen mancher der fortschrittlichsten Deputierten besaß. Er perionifizierte die größte Verschwörung, die je die dritte Republik gesährdet hatte. Mit seinem vollen Namen hieß er StaniSla» du Lac de FuaLre; er war sehr früh in die Gesell,chast Jesu eingetreien; nach dem Kriege wurde er von Man», wo er Rektor des kaiholischen Gym nasium» war, nach Pari» zur Leitung de» JesuckenkollegiumS in der Rue de» PosteS berufen, dessen Rekior, Psre Ducoudray, während der Kommune verhaftet und erichosseu worden war. Als die alten Dekrete über da» Ausenthallsvcrbot der Jesuiten in Frank reich zur Anwendung kamen, verlegte du Lac sein Kolle gium nach Cautorbery, wo er ost den Besuch von royalistischen Agenten empfing. Die Reaktion bedurfte seiner in Pari«; mau hielt große Stücke auf den Prediger, dessen ungewöhnliches Rednertalent Scharen nach den Kirchen lockte, dessen einschmeichelndes Wesen die Gemüter um strickte, bis sie nicht mehr bemerkten, daß sie sich völlig einem fremden Willen untergeordnet hatten, und dessen hohe und unleugbare Autorität ihn in jedem Beruf zu einer Fübrerrolle berechtigt hätte. 1874 schien er der Kommandant der Offiziersschule von Saint-Cyr geworren zu sein. Er schrieb seinem Freunde de Mun: „Unsre Saint-Cyriens kamen zu mir und erzählten mir, daß sie, 183 an Zahl, Ostern zur Beichte gingen; als sie nach dem Speisesaal verspätet zurückkamen, wurden sie von den andern mit Geheul empfangen. Doch ein älterer Schüler, der nicht zu den 183 gehört hatte, erhob sich und rief: „Wrr sollten zum wenigsten stillschweigen." Damit war alles zu Ende. Der Jesuitenpater führte genaue Listen über die katholischen Offiziere, und im Dreyfusprozeß kam eS deutlich zur Kenntnis aller, daß er neben dem Gebetbuch die Osfiziersrangliste durchzubeten pflegte. Die Loge des Grand- Orient machte es ihm später nach und wirtschaftete mit Angeberzetteln und Listen der kaiholischen Offiziere, die nicht befördert werden sollien. In den aristokratischen Geielltchasten riß man sich um den Jesuitenpater, und noch heute rühmen sich viele Ehepaare, daß er eS war, der ibre Heirat vermittelt, gute Namen und große Vermögen zusammengebracht batie... Das bedeutende Talent des würdigen Schülers Jgnar von Loyalas bestand vor allen Dingen in seinem ungewöhnlichen Avaptionsvcrmögen ; jedem Kreise sagte er, was er gern hören mochte. Es gab keinen lieber gesehenen Beichtiger; man holte ihn mitunter dreimal in der Nacht aus seiner Klause in Versailles nach Paris, um reichen und auch armen Sündern die Sterbesakramente zu geben. Der Klerus warf ihm vor, gar zu bequem mit dem Himmel auszusöhnen. Aber trotz seiner Welt lichkeit mußte er für einen heiligen Mann gelten, da er sich keine Ruhe gönnte. Die Triebkraft, die ihn unermüdlich aus Hütten nach Palästen und in Kasernen führte, war sein nie gestilltes Bedürfnis nach Domination. In der Kirche Saint-Thomas-d'Aquin plauderte er einst von der Kanzel herab über die moderne Frauentoilette mit der Kenntnis einer raffinierten Schneiderin; er beschrieb den Schimmer der Seide, das Frou-Frou der JuponS so verführerisch, daß man sich fragen mußte, ob er die Ertelkeit seiner vornehmen weiblichen Zuhörerschaft noch vergrößern wollte — er schmeichelte der Pariser Eleganz nur, um darauf eine doppelt wirksame Propaganda für sein Syndikat de l'Aiguille machen zu können; die Sammlung für daS Syndikat der Nadel ergab an diesem Tage eine stattliche Summe, von der viele arme kleine Schneiderinnen profitieren durften, wenn sie hübsch fromm für den König zu agitieren versprachen. Diese Predigt war der ganze Pöre du Lacl „I. III" vor Notanker. Wie am Morgen des 1. Septembers aus Bülzig mitgeteilt wurde, dürften die Reparaturarbeiten am „Zeppelin HI" bis zum Mittag des erwähnten Tages beendet sein. Die Abfahrt von Bülzig würde dann wahrscheinlich am Abend erfolgen, falls die widrigen Windverhältnisse sich bis dahin gebessert hätten. Neberhaupt war die Nacht zum Mittwoch für das Luftschiff sehr kritisch, da der heftige Nordwestwind, denen Aufkommen wir schon mitkeilten, sich zeitweilig zu einem regelrechten Sturm erhob. Man befürchtete schließlich sogar eine Katastrophe für den „Z. III". Allein in Gegenwart des Grafen Zeppelin und der Ingenieure hielten die Mannschaften, die den Ballon an den Tauen festhielten und mit diesem von dem Sturm oft mehrere Meter hoch vom Erdboden emporgehobeu wurden, tapfer aus. Ebenso hielt die Verankerung stand — bis sich der Sturm gegen 3 Uhr morgens legte. Indessen frischte sich der Nordwestwind in den Vormittagsstunden des 1. Septembers — wie weiter gemeldet wird — wieder stark auf. Nach einer Berliner Meldung wird der Kronprinz dem Aufstieg bei wohnen. Wir erhalten hierzu folgende weiteren Meldungen: „A. HI" im Sturmwind. Friedrichshafen. 1. September. sTelegramm.) Direktor CoIs - mann teilte der Luftschiffbaugesellschaft aus Bülzig mit, daß der Z. HI" heute nacht einen schweren Sturm gut überstanden habe. Tic Reparaturen seien bis auf das Einsehen der Propeller beendet. Diese Arbeit werde im Laufe des Vormittags ebenfalls durchgeführt werden. Die Abfahrt werde jedoch voraussichtlich erst nachmittags angetreten, da die Wetterkarten bis dahin eine Besserung der Wetter lage erhoffen lassen. Bülzig. Landungsstelle des „Z. III", 11 Uhr vorm. (Telegramm.) Der Wind hat während der Nacht nicht nachgelassen. Die außerordent lich ungleichmäßig und stoßweise auftretenden Böen erschwerten die Lage ganz ungemein. Erst nach 3 Uhr morgens konnte mit der Arbeit begonnen werden, da der Wind um diese Zeit gleichmäßiger wurde. Das Luftschiff lag dis ganze Nacht über in blendendem Lichte der Scheinwerfer Zurzeit ist die Windstärke bis zur Höhe von 508 Metern 14. darüber 18 Scknndcnmeter. Der Wind kommt jetzt aus Südwestcn und hat die Tendenz, sich nach Nordwestcn zu drehen. Die in einigen Zeitungen verbreiteten Nachrichten, daß die Hülle vom Sturm abgerissen und zerfetzt worden sei, sind frei erfunden. Die Hülle ist an der verletzte Gaszelle sorgfältig abgeschnürt, sodann ausgeslickt und nun mehr wieder aufgesetzt worden. Der Ankerpunkt ist durch eine Anzahl Haltetaue mit mehreren festen Punkten innerhalb des Luftschiffes vcr- Kunden und dadurch noch ganz erheblich gesichert worden. Da der Wind das Aufstellen von mechanischen Leitern verhindert, so sind die vorderen Vorgelege vom Innern des Luftschiffes aus angesetzt worden. In der selben Weise wird das Anmontieren der vorderen Propeller geschehen, sobald die recht diffizilen Vorarbeiten dafür beendet sind. Ununter brochen strömen neue Scharen von Schaulustigen zur Landungsstelle. Trotz der eingelegten Extrazüge ist der Verkehr nicht annähernd zu bewältigen. Da die aus Bülzig lautenden Fahrkarten auf allen Stationen der Umgegend längst verkauft sind, so fährt das Publikum zum Teil auf H u n d e k a r t e n (!), zum Teil auf Karten, die auf ganz andere Stationsnamcn lauten. Auf dem Bahnhof Bülzig sind die Einlaßschranken zersägt und auf diese Weise sechs Notausgänge geschaffen worden. An eine Festsetzung der Abfahrtszeit ist bei der unsicheren Wetterlage vorläufig nicht zu denken. Sie dürfte aber jedenfalls, wenn der Wind sich legt, am Abend erfolgen. Zun» Besuch des BundeSrateS und deS Reichstage-. Friedrichshafen. 1. September. (Telegramm.) Die Luftschiffbau- gesellichaft teilt mit: In Abänderung der Absicht, den Bundesrat nach Besichtigung des Luftschiffes am 4. September dem ursprünglichen Plan gemäß zu einem Abendessen nach Lindau zu laden, beschloß Zeppelin nunmehr, den Bundesrat und den Reichstag zum Essen »m
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