Alle diese Umstände in Betracht gezogen, muß uns die Begründung der Kamenzer Bibliothek geradezu befreiend anmuten, es war eine Tat, welche umsomehr Bewunderung verdient, als die Stadt arm war — sie hieß im Volksmunde „die Arme" — und es ihr sonach schwer fallen mußte, eine für damalige Zeit beträchtliche Summe für eine Bibliothek aufzuwenden. Das Verdienst, den Anstoß hierzu gegeben zu haben, gebührt dem Konrektor AI. Philipp Ludwig Schertlin P655—s67ß), welcher in einem Schreiben vom 22. September f666 den Rat bat, daß es ihm erlaubt sei „eine Bibliotheck, so gut als es möglich, allhier im Tloster auffzurichten, aufs art vnd weiße, wie beykommendes Buch und dessen titul zeiget"). Der Rat billigte nicht nur dieses Vorhaben mittels Ratsdekrets vom 22. Dezember f666, sondern bewilligte auch seinerseits s2 Taler hierzu und beauftragte den Bürgermeister Andreas Abicht sowie Schertlin mit Besorgung des Werkes. Die Kamenzer Bürgerschaft und der auf den umliegenden Gütern wohnende Adel säumten nicht, ihr Interesse durch Geld- und Bücherspenden an den Tag zu legen. So schenkten u. a. Pans George von Schönberg auf Mhorn 5 Taler, Pans Friedrich von Ponickau auf Bischheim 2 Taler, Pauptmann Basilius Tittel 8 Taler. Die Schenkgeber trug man in ein von Schertlin angelegtes Buch ein, betitelt: „^lomoria uuotorum bibliotlwous OumevtionsisI um so der Nachwelt ihre Namen aufzubewahren. Leider ist das Buch nicht niehr vorhanden 2). Die damaligen „Schulcollegen" Rektor Tobias Freygang, Konrektor Ludwig Schertlin, Kantor Iohannes Listenius, Baccalaureus Adam Räthel und Auditor peinrich Stubritz stellten eine — ebenfalls nicht mehr vorhandene —- Bibliothekordnung auf, in welcher u. a. bestimmt wurde, daß am Gregoriusfeste jeden Jahres (f2. Wärz) ein Schüler der ersten Klasse des Lyceums eine Rede von der Freigebigkeit und Dankbarkeit halten und sodann die Namen der Wohltäter der Bibliothek zur Kenntnis der Zuhörer bringen solle. Tine hinter der St. Annenkirche im Klosterhofe stehende Kapelle wurde — da ihrem ursprünglichen Zwecke schon längst nicht mehr dienend — der Bibliothek zur Benutzung eingeräumt. Die Anzahl der Bücher war im Anfänge natürlich eine sehr geringe, bis so Jahre später — im Jahre f676 — der Rat zu Kamenz zirka YOO Bände von den Erben des Bürgermeisters Ehrenfried Reichel hinzukaufte. Reichel hatte sie aus dem Nachlasse des Freiberger Ehronisten Vr. Andreas Wöllers erworben, dessen pandbibliothek — mit Ausnahme von zirka 2^0 Bänden, welche Wöller von seinem Schwiegervater, Vr. Daniel Thorschmiedch, erbte, — sie bildeten. Diese Wöller-Thorschmiedsche Bibliothek haben l) Dem Rektor Voigt hat das Buch noch vorgelegen, vergl. die schon oben er wähnte Geschichte der Kainenzischen Bibliothek rc. !?5Z. 2) Ls ist dies wahrscheinlich das dem Rat von schertlin vorgelegte Buch. 2) Ueber Möller vergl. Lrmischs Neues Archiv für Sächsische Geschichte Bd. 8., Kade, Andreas Möller, der Chronist von Freiberg. ->) Möller war in zweiter Lhe mit Thorschmieds Tochter Regina verheiratet.