Archiv für wissenschaftliche Photographie. II. Band. Ausgegeben im August 1900. Heft 7. Beiträge zur Theorie der photographischen Entwicklung. Von J. Precht. euerdings scheinen alle Forscher in der Ansicht übereinzustimmen, dass die Hauptmenge des Silbers im Negativ nicht von direkter Lichtwirkung her- 1— J rühren könne. Diese Anschauung wird im wesentlichen gestützt durch die Erfahrung, dass eine nach der Belichtung fixierte Platte keine beträchtliche Silbermenge enthält und mit einem silbersalzfreien Entwickler nicht hervorgerufen werden kann. Nach meinen früheren Versuchen 1 ) ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass eine primär fixierte Platte überhaupt kein metallisches Silber, sondern nur ein selbst bei längerer Einwirkung von konzentrierter Salpetersäure unzerstörbares, ausser ordentlich dünnes Schwefelsilberbild 2 ) enthält, an welchem aus übersättigter Silber lösung beliebig oft ein metallisches Silberbild angelagert werden kann. Die Ent wicklung einer schon fixierten Platte hat damit zum erstenmale ihre völlige Erklärung gefunden. Es entsteht nun die Frage nach dem Mechanismus der Silberabscheidung an den belichteten und daher erfahrungsgemäss leichter reduzierbaren Bromsilberteilchen bei der Entwicklung. Lange Zeit hat man nach Lermontoff und Eder 3 * ) elektro lytische Vorgänge zwischen Silber, Entwickler und Bromsilber für die Absetzung grösserer Silbermengen an den Bildstellen verantwortlich gemacht. Diese Theorie musste endgültig aufgegeben werden, als sich herausstellte, dass der Edersche Ver such, der ihre Hauptstütze bildete, ungenau angestellt und falsch interpretiert war. 1 ) An ihre Stelle trat die vielen Erfahrungen leicht anzupassende Anschauung, dass aus unverändertem Bromsilber durch den Entwickler reduziertes Silber sich in diesem löst, dass diese Lösung wahrscheinlich schon bei sehr geringer Konzentration über sättigt ist und in ihrem metastabilen Zustand metallisches Silber an vorhandenen (z. B. aus Subhaloid gebildeten) Keimen abscheidet. Auch die Unterschiede der Oberflächenbeschaffenheit von belichteten und unbelichteten Bromsilberteilchen genügen für die Abscheidung. Diese Theorie, die von Ostwald, Abegg, Schaum, Luther 5 ) und anderen vertreten wird, beseitigt zwanglos den Unterschied, der früher zwischen sogenannter physikalischer und chemischer Entwicklung zu bestehen schien. Anderer seits leidet sie an dem Übelstand, keiner direkten experimentellen Bestätigung zu gänglich zu sein; denn findet man im Entwickler kein gelöstes Silber, so wird man sich immer auf die geringe Menge und ihr vielleicht nur momentanes Vorhandensein berufen können. Hierzu kommt noch der Umstand, dass endliche Mengen Brom vom Entwickler aufgenommen werden und sein vorausgesetztes Lösungsvermögen für 1) Precht, Archiv f. wiss. Phot. II, 1. 1900. 2) 1. c. S. 8. 8) Eder, Handbuch II, 45, 92. 1890. 4 ) Man vergleiche hierzu Schaum, Archiv f. wiss. Phot. I, 139. 1899. 5) Ostwald, Lehrbuch II, l; 1079. Die Aufsätze der anderen Autoren finden sich in früheren Heften dieser Zeitschrift.