Archiv für wissenschaftliche Photographie. II. Band. Ausgegeben im November 1900. Heft 9/10. Über die theoretischen Gesetze der Strahlung. Von Prof. Dr. W. Wien. NE/ enn die Licht- und Wärmestrahlung in erster Linie auch den allgemeinen 6NNE optischen Gesetzen unterworfen ist und hauptsächlich von diesem Stand- "2YV2 punkte aus betrachtet wird, so unterliegt sie andererseits auch den Gesetzen der Wärme, so lange sie aus dem Wärmevorrat der strahlenden Körper entnommen wird. Nicht alle Arten der Strahlung sind mit Sicherheit auf Wärmequellen zurück zuführen. So ist namentlich die Strahlung Geisslerscher Röhren, die durch die elektrische Entladung in verdünnten Gasen hervorgerufen wird, jedenfalls kein thermischer Vor gang. Auf sie lassen sich daher die Gesetze der Wärme nicht ohne weiteres anwenden. Aber bei weitem die meisten sonstigen Strahlungsquellen beruhen auf der Ausstrahlung erhitzter Körper und die Anwendung der Wärmetheorie auf diese Art von Strahlung giebt uns über manche Eigenschaften der Strahlung Aufschluss, die wir im folgenden betrachten wollen. Das erste allgemeine Gesetz dieser Art ist das Kirchhoffsche, welches aussagt, dass für jede Strahlung einer bestimmten Wellenlänge, also bestimmter Farbe, bei einer festgesetzten Temperatur das Verhältnis der ausge strahlten zur absorbierten Energie für alle Körper dasselbe ist. Dieser Satz bezieht sich auch auf die in bestimmter Richtung ausgesandten oder polarisierten Strahlen. Wenn also ein Körper in einer Richtung gehende Strahlen mehr absorbiert als solche, die in anderer Richtung gehen, wie das z. B. bei Metallen der Fall ist, so senden diese Körper in dieser Richtung auch mehr Strahlen aus. Ebenso müssen Körper, die bei einer bestimmten Temperatur verschieden polarisiertes Licht ver schieden stark absorbieren, bei dieser Temperatur eine gewisse Menge polarisierten Lichts aussenden. Durch den Kirchhoffschen Satz wird eine nur von der Temperatur abhängige Ausstrahlung definiert, nämlich die eines Körpers, der alle auffallenden Strahlen ver schluckt. Ein solcher sogenannter schwarzer Körper existiert zwar nicht für alle Farben, aber, wie schon Kirchhoff hervorgehoben hat, stellt sich die Strahlung eines schwarzen Körpers in einem Hohlraum her, der von gleichtemperierten Wänden um geben ist. Durch die beständig hin und hergehenden Reflexionen wird jeder Strahl schliesslich doch vollständig absorbiert und das Ergebnis ist dasselbe, als ob die Wände vollständig schwarz wären. Versieht man einen Hohlraum mit einer kleinen Öffnung, so wird ein Strahl, der durch diese Öffnung eindringt, im Innern lange hin und hergeworfen, ehe ein Teil die Öffnung wiederfindet, und daher ausserordentlich geschwächt ist. Ist daher die Öffnung klein genug, so wird sie die verlangte Eigen schaft eines schwarzen Körpers haben, alle Strahlen zu verschlucken. Man kann die Strahlung eines schwarzen Körpers daher zweckmässiger als die Strahlung definieren, die sich in einem solchen Hohlraum von selbst herstellt. Alle Strahlung anderer Zusammensetzung wird sich in diese Strahlung verwandeln. Man