Archiv für wissenschaftliche Photographie. II. Band. Ausgegeben im April 1900. Heft 4. Bemerkungen zu dem Werke „Theorie und Geschichte des photographischen Objektivs von M. von Rohr“. Von Emil von Höegh. ach Durchsicht der unter obigem Titel erschienenen Arbeit finde ich die Anerkennung und die rühmende Beurteilung, welche das Werk von der optischen Technik selbst fernstehenden Kritikern erfahren hat, begreiflich. Die geschickte Einteilung und Bearbeitung des interessanten Stoffes, auch die lebendige, nie langweilig werdende Darstellung verrät glänzende schriftstellerische Be gabung des Verfassers. Was aber den wissenschaftlichen Wert des Buches erheblich reduziert, ist der Mangel an Objektivität und gründlicher eigener Erfahrung, der bei Besprechung der modernen Anastigmatkonstruktionen zu Tage tritt. Jedem Vorurteilsfreien, der diesem Abschnitt aufmerksam folgt, muss es auffallen, dass der Verfasser hier seine Fähig keiten in der Darstellungskunst ganz einseitig in den Dienst der Firma Zeiss stellt. So legt er den zur Kennzeichnung der Leistungsfähigkeit gezeichneten graphischen Darstellungen bei den Fabrikaten der Zeissschen Werkstätte die Produktionen neuesten Datums zu Grunde, mit all den im Laufe der Zeit infolge der gesteigerten Kon kurrenz nötig gewordenen Umwandlungen und Verbesserungen, um diese dann mit den ersten Versuchsobjektiven anderer Produktionsstätten in Vergleich zu stellen, wie z. B. mit der ersten 1892 publizierten Ausführungsform des Doppelanastigmattypus, welche, wie dem Verfasser bekannt sein muss, den später in den Verkehr gebrachten Doppelanastigmaten noch gar nicht entspricht und noch ganz der Vorbereitungszeit angehört. Gegen ein solches Verfahren wird jeder gerecht denkende Protest erheben. Es ist nicht richtig, dass dem Verfasser andere als die von ihm benutzten Kon struktionsdaten nicht zugänglich waren, um solche hat er sich bei den in Betracht kommenden geschädigten Firmen gar nicht bemüht, weil es ihm eben auch gar nicht darum zu thun war. Von den Goerzschen Neukonstruktionen hat v. Rohr Konstruktionsdaten nicht auffinden können, ich kann dem gegenüber wieder nur be merken, dass die in Deutschland publizierten Patentanmeldungen überall Ausführungs beispiele enthalten. Andererseits ist zu rügen, dass von dem im Verkehr befind lichen Zeiss-Weitwinkel (Fig. 130) die Darstellung der Bildkrümmungskurven nicht gegeben ist, dass vielmehr die in den Tafeln zur Abbildung gelangten Kurven sich auf ältere aufgegebene Konstruktionsformen beziehen. Thatsächlich erreicht der z. Z. im Gebrauch befindliche und angebotene Weitwinkel bei Weitem nicht die durch jene Kurven gekennzeichnete Ausdehnung des brauchbaren Bildfeldes. In Bezug auf das Petzval-Objektiv scheint er durch unrichtige Konstiuktions- daten irregeleitet zu sein. Ich hatte Gelegenheit, einen im Besitz des Herrn Pro fessor Dr. Miethe befindlichen, noch von Dietzler hergestellten Portraitkopf ein gehend zu prüfen und rechnerisch zu rekonstruieren. Ich fand bei einem Öffnungs- 7