66 Hermann Rahne Zur Geschichte der Dresdener Garnison von 1933-1945 0 Wie in allen Garnisonen der Reichswehr, wurde auch in den Dresdener Kasernen am Abend des 30. Januar 1933 die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler freudig begrüßt. Besonders großer Jubel herrschte unter den Fahnenjunkern und Fähnrichen der größten Offiziers schule der Reichswehr, der Dresdener Infanterieschule. Eine mehr abwartende Haltung zeig ten ältere Offiziere der höheren Ränge. Alle aber erhofften nun von der neuen Regierung ein baldiges Durchbrechen der als nationale Schmach empfundenen strengen Rüstungsbe grenzung, die die Siegermächte des Ersten Weltkrieges Deutschland aufgezwungen hatten. Darüber hinaus erwarteten die Angehörigen der Dresdener Garnison wie wohl alle ihre Kameraden im Deutschen Reich gemeinsam mit vielen Millionen Deutschen die Einhal tung der zahlreichen Versprechungen, die Hitler und seine »Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei« immer wieder abgegebenen hatten. Diese Versprechungen hatten nicht nur die stärkere Durchsetzung deutscher nationaler Interessen in der internationalen Politik, son dern vor allem auch die rasche Lösung großer sozialer Probleme zum Inhalt. Dazu zählte in erster Linie die oft genug von Hitler und von seinen Gefolgsleuten gerade auch in Sachsen versprochene Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit. Immerhin gab es im Januar 1933 al lein in Dresden 112 000 Arbeitslose! 11 Jeder vierte Erwerbsfähige war ohne Arbeit! Das damit verbundene Massenelend und die fortwährend größer werdenden sozialen Spannungen, die mit der Verschärfung der parteipolitischen Kämpfe einhergingen, hatten die Dresdener Reichswehrkommandeure mit Sorge beobachtet. Nun aber schien die Angst vor einem er neuten unerwünschten Polizeieinsatz ihrer Truppen genommen. Der Ausbildungs- und Dienstbetrieb in der Dresdener Garnison, die mit 5 000 Mann die größte des Hunderttausend-Mann-Heeres war, ging nach dem 30. Januar 1933 zunächst un verändert weiter. Zur Garnison gehörten damals neben der großen Infanterieschule der Stab der 4. Division, deren Kommandeur zugleich territorialer Befehlshaber im Wehrkreis IV war, der Land und Provinz Sachsen umfaßte, sowie der diesem unterstellte Artillerieführer IV mit seinem Stab. An Truppen standen in Dresden der Stab und zwei Bataillone des Infante rieregimentes 10, der Stab und zwei Eskadronen des Reiterregimentes 12, der Stab und eine Abteilung des Artillerieregimentes 4, die Nachrichtenabteilung 4 und die Sanitätsabteilung 4, eine Kompanie der Kraftfahrabteilung 4 und zwei Eskadronen der Fahrabteilung 4. Dazu kamen dann noch mehrere Verwaltungsdienststellen und das große Standortlazarett. 21 Seinerzeit streng geheim gehalten und auch heute noch weitgehend unbekannt ist die Tatsa che, daß die Hauptaufgabe des jeweiligen Artillerieführers IV mit seinem Stab in der Orga-