98 Neuerscheinungen zur Dresden-Literatur Eva Papke, Festung Dresden - Aus der Geschichte der Dresdner Stadtbefestigung Hsg. Staatliche Schlösser und Gärten Dresden. Michel Sandstein Verlagsgesellschaft mbH 1997, 168 S., 200 Abb., 38 DM. o Angesichts der Fülle heute verfügbarer Dresden-Literatur ist es kaum vorstellbar, daß noch unbekannte, zentrale Momente der Stadtentwicklung zu entdecken sein könnten. Doch »Festung Dresden« thematisiert genau ein solches Phänomen. - Mindestens 600 Jahre städti scher Entwicklung waren in Mitteleuropa stark geprägt von der Notwendigkeit funktions tüchtiger Stadtbefestigung; auch für Dresden ist diese mindestens seit 1200 nachweisbar. Allge mein weiß man das wohl auch, doch daß Dresden im 16./17. Jahrhundert einmal eine der gewaltigsten Festungen im deutschen Raum gewesen ist, wem ist das wirklich geläufig? Das heitere Elbflorenz als trutzige Bastion? So ist es die Leistung dieses Buches, gegen das festgefügte Bild von der Stadt ein unbekanntes Dresden in Erinnerung zu rufen - eine verblüffende, faszi nierende Wiederentdeckung. Das Buch stellt chronologisch die Entwicklung der Festung Dresden von der ersten Stadt mauer um 1200 bis zur Schleifung der Anlage unter Napoleon vor. In den ersten 300 Jahren bleibt das Bild der Wehranlage relativ stabil - sie folgte altstädterseits etwa dem alten Innen stadtring. Erst mit der Wende zum 16. Jahrhundert fordert stärkere Artillerie verbesserten Schutz. 1519 gibt Herzog Georg Befehl zur Verstärkung der Stadtmauer, zur Rempartierung, was soviel heißt wie, es werden Erdwälle angeschüttet, Bastionen angelegt und Wassergräben. Ganze 15 Jahre später, in »geschwinden Leufften«, wie Herzog Moritz schrieb, bedurfte es festerer Wehr; So gibt er 1545 Befehl zum Bau von Bastionen im italienischen Stil. Moritz, auf Seiten des Kaisers, siegt 1547 gegen den Schmalkaldischen Bund, wird als Sieger Kurfürst, Sachsen vergrößert sich und in der nunmehr kurfürstlichen Residenz Dresden beginnt die große Zeit der Renaissance. So prachtvoll wie das Schloß, so gewaltig wird die Festung ausgebaut. Dies ist ihre eigentliche Hoch-Zeit. Mit dem sinnesfreudigen 18. Jahrhundert beginnt sich dann ein Funktionswandel anzukündigen. Militär ist wichtig, Feste sind es auch. Die Wallanlagen ver kommen, in den Gräben züchtet man Karpfen, auf den Schießscharten wächst bei Canaletto das Moos. Ein Zeitalter, daß das Wort Lustschießen kreiert, und Bastionen nach römischen Göttern benennt, dem steht der Sinn nach ziviler Nutzung. Brühl initiiert die schönste Verwandlung, die je eine Wehranlage erfahren hat — aus Bastionen werden Gärten, Terrassen, eine Flaniermeile, die als »Balkon Europas« ihre Vorgeschichte inzwischen perfekt vergessen machte. Bei der Beschießung der Stadt durch die Preußen 1760 zeigt sich auch militärtaktisch - die Zeit der Fest ungen ist vorbei. Mauern bieten keine Schutz vor weittragenden Kanonenkugeln. Vollzogen wird die Einsicht allerdings erst durch Napoleon, der 1809 die Entfestigung befiehlt. Mit dieser kurzen Skizze soll das Panorama angedeutet werden, das sich im Buch entfaltet. Es ist akribisch über viele Jahre von der Autorin recherchiert worden und bringt eine Fülle von Fak-