4 Adam Krzeminski Sachsen und Polen — eine gescheiterte Union? Fast zufällig bestiegen die Wettiner den polnischen Thron. Dem sächsischen Kurfürsten August dem Starken kam die Idee, sich um die Nachfolge des Siegers von Wien (1683), Jan Sobieski, zu bewerben, recht unerwartet. Der Sachse hatte einen starken Gegenkandidaten, einen franzö sischen Feldherrn, den ursprünglich auch die Mehrheit der polnischen adligen Wähler unter stützte. August aber hatte mächtige Verbündete. Der junge Peter I. und der preußische Kurfürst (der noch 40 Jahre zuvor von Polen abhängig war) waren sich einig: lieber ein Teufel auf dem polnischen Thron, nur kein Franzose. Das übrige besorgte Geld. August konvertierte zum Katholizismus und wurde König in einem Land, das er kaum kannte. Für Polen begann die »Sachsenzeit«, denn die Wettiner blieben dort 66 Jahre, zuerst August der Starke, dann sein farbloser Sohn, August III. Es waren — könnte man beinahe sagen — die umstrittensten Jahre der gesamten polnischen Geschichte. Bis heute schrecken Lehrer polnische Schüler mit der »sächsischen Verfinsterung« (Eclipsis Poloniae), und wenn ein Politiker oder Publizist staatsfromm die Polen vor einer neuen Katastrophe warnen will, sagt er, Polen befinde sich wieder in einer »Sachsenzeit«, in einem Zustand der Völlerei und tumben Selbstgenügsamkeit, de facto aber der Fremdbestimmung und eines verhängnisvollen Niedergangs, kurz gesagt - vor einer erneuten Teilung. Und zugleich muß die polnisch-sächsische Union keineswegs eine schlechte Idee gewesen sein, zumal etliche andere Unionen, die mit Litauen im 14. und die mit Schweden im 16. Jahrhun dert, dem Land an der Weichsel zeitweilig gut bekamen. Die Union mit Sachsen von 1697 bis 1763 dagegen erwies sich als eine »programmlose Zukunftlosigkeit«, wie Jözef Feldmann stell vertretend für Generationen polnischer Geschichtsschreiber einmal sagte. Egoistisch, gerissen und vor allem stümperhaft soll August der Starke gewesen sein. Nur seine Spermien erreichten das Ziel, schrieb sarkastisch der britische Historiker Norman Davies in seiner Geschichte Polens. Auch Pawel Jasienica - der polnische Golo Mann, dessen in den 60er Jahren verfaßten wunderbaren Essays das historische Bewußtsein der heutigen Polen mitgeprägt haben - war voller Wut, als er über den Sachsen schrieb. Doch er beschuldigte nicht nur den sächsischen Konvertiten. »Es wäre allzu einfach und bequem, die ganze Verantwortung aut den König, einen Deutschen, übrigens zweifellos einen Verbrecher, abzuladen. Ihm durchaus eben bürtige Schuldige waren all jene Polen und Litauer, die während der Wahl 169/ und danach ihr Gewissen und ihre Stimmen verkauften und ein Verbrechen der Gedankenlosigkeit begingen. Die >Republik der beiden Nationen< (das polnisch-litauische Doppelreich) brachten moralische und intellektuelle Phänomena zu Fall.«