17 Walter May / "fj Das sächsische Bauwesen unter August II. und August III. in Polen Die nahezu siebzig Jahre währende Verbindung von sächsischer Kurwürde und polnischer Königskrone trug die sächsische Barockarchitektur auch nach Polen, und ohne die Einbeziehung der polnischen Bauten und Projekte bliebe ihre Gechichte lückenhaft und unvollständig. Eine V ielzahl erhaltener Pläne läßt den Umfang und Anspruch der königlichen Bauvorhaben in Polen erkennen. Sie hatten schon in der Frühzeit der sächsischen Barockforschung Aufmerk samkeit erweckt 1 ’, aber erst den eingehenden Untersuchungen und Forschungen Walter Hentschels ist eine grundlegende und umfassende Darstellung der sächsischen Baukunst des 18. Jahrhunderts in Polen zu verdanken. 2 ' August III., der durch Bernardo Beilotto das Aussehen seiner sächsischen Residenz festhalten ließ, hatte dadurch seinen Nachfolger auf dem Königsthron offenbar angeregt, für die polnische Hauptstadt ein Gleiches zu tun. Die Ansichten, die Beliotto in den Jahren 1767- 1780 im Auf trag Stanislaw Augusts schuf 3 ’, zeigen, daß die Zeit der sächsischen Königsherrschaft sichtbar an der Gestaltung des Stadtbildes mitgewirkt hatte. Der Weichseltrakt des Königlichen Schlos ses und das hochragende Palais Casimir-Sulkowski, heute das Hauptgebäude der Warschauer Universität, akzentuieren das eindrucksvolle Panorama der Stadt in der Formensprache der säch sischen Architektur. Die Bautätigkeit der wettinischen Könige ging einher mit der städtebaulichen Ausgestaltung ihrer polnischen Residenz, die sich seit dem Mittelalter parallel zum Weichsellauf ausgedehnt hatte, so daß in der Abfolge von Neustadt, Altstadt, Krakauer Vorstadt und Neuer Welt eine Nord-Süd-Achse entstanden war. August der Starke setzte ihr eine auf die Krakauer Vorstadt, die bedeutendste Straße des barocken Warschau, stoßende Ost-West-Achse entgegen, eingeleitet durch das Sächsische Palais mit dem etwa 1714 begonnenen Garten und mit der Anlage der Wielopolschen Kasernen ] 732 über den Platz vor dem Eisernen Tor hinaus weitergeführt in Richtung auf das Wahlfeld der polnischen Könige bei Wola. Wenn auch in den begleitenden Straßenzügen nur teilweise verwirklicht, so hat die Os' Saska — die Sächsische Achse — doch erst mals ein städtebauliches Ordnungssystem in die gewachsene Siedlungsstruktur südlich der Alt stadt gelegt." Nach den Störungen durch Baumaßnahmen seit der letzten Jahrhundertwende wird sie heute westlich des Platzes vor dem Eisernen Tor durch das 1970 an seinen jetzigen Standort versetzte Lubomirskipalais abgeschlossen. Die Nord-Süd-Achse wurde 1723/24 auf Veranlassung Augusts des Starken südwärts verlän gert durch die Anlage eines Stationsweges, dessen Ziel ein Kalvarienberg in der Nachbarschaft des Schlosses Ujasdöw war. Als Ujasdöwer Allee wurde er zu einem wichtigen Verkehrsweg der