9 Karl Czok Zur Neubewertung der sächsisch-polnischen Union (1697-1763) Die Krönung des wettinischen Kurfürsten zum König August II. in Polen 1697, eines gewähl ten »fremden« Herrschers und damit auf der Grundlage einer Personalunion zwischen beiden Ländern war für die Rzeczpospolita, die polnische »Adelsrepublik«, kein erstmaliger Akt, denn schon 1386 wurde eine solche zwischen Polen und Litauen gebildet, der 1569 sogar eine Real union folgte, die dem Land die größte territoriale Ausdehnung brachte und einen »Vielvölker staat«, der außer Polen und Litauern, Weißrussen, Ukrainern auch Deutsche, Juden, Armenier, Flamen, Italiener und Franzosen in zeitweisem tolerantem Zusammenleben umfaßte. Auslän dische Fürsten auf dem polnischen Königsthron waren ebenfalls keine Einzelerscheinung, wie Heinrich von Valois, Istvan IV. Bathory und die schwedischen Wasa bewiesen. Auch der Wettiner Friedrich August I. ist nicht der erste deutsche Fürst gewesen, der sich für den Thron der Piasten interessierte. Schon ein brandenburgischer Kurfürst hatte einige Jahrzehnte zuvor diesen zu gewinnen erwogen. Zu den spezifischen Motiven des wettinischen Thronkandidaten wurden wiederholt sein politischer Ehrgeiz, positive wirtschaftliche Aussichten für den inter nationalen Handel und die Leipziger Messen sowie der Rohstoffreichtum des östlichen Landes — Holz, Häute, Felle, Pelze, Garne, Salz, Wolle, Wachs, Pottasche u.v.a. angeführt. Friedrich Augusts Denkschrift »Umb Pohlen in flor und in ansehung gegen seine nachtbaren zu setzen« — entstanden ebenfalls 1697 — ließ diese und andere Gedanken anklingen, die allerdings noch nicht auf der Grundlage exakter Kenntnisse des Landes basierten. !) Daß allerdings die »Wirkungen des Blutes« bei ihm eine Rolle gespielt hätten - von seinen 8191 Ahnen würden angeblich 934 auf das Königsgeschlecht der Piasten und 320 auf das der Jagellonen zurück zuführen sein — dürfte wohl in das Reich der Fantasie gehören. 2 ^ Vielmehr wird das damalige Streben deutscher Fürsten nach ausländischen Kronen stimuliert haben, wie es beispielsweise beim Brandenburger und Zeitgenossen Friedrich III. seit 1693 der Fall war. Schon C.W. Böttiger wies in seiner Geschichte Sachsens 1831 daraufhin, daß die preußische Kronerwerbung die »folgenreichste«, die britische die »glänzendste«, die schwedische und die polnische dagegen ihren Erwerbern »wenig Machtzuwachs« gebracht hätten und ihren Trägern »in jeder Weise und im höchsten Grade verderblich wurde«. 3) Damit ist zugleich die geschichtliche Bewertung der sächsisch-polnischen Union angespro chen, die über zwei Jahrhunderte meist negativ sowohl von polnischen und deutschen Histori kern beurteilt worden ist. Sinngemäß gilt dies auch für August II. Manche polnischen Geschichtsschreiber sehen in ihm noch heute einen Herrscher, der für den tiefsten Niedergang Polens in seiner Zeit mitverantwortlich war. Einige deutsche und auch sächsische Historiker