IV. Im Chefzimmer des von ihm vor Jahresfrist erbauten und seitdem meisterlich geleiteten Kinderkrankenhauses zu Leipzig-Reudnitz, dem modernsten und größten seiner Zeit, sitzt Professor Otto Heubner. Mächtige Markisen halten Sonnenhelle und Sommerhitze von dem Studier zimmer fern. Im Halbdunkel des Raumes sind die großen, bebrillten Augen des Mannes, dessen grau melierte Haare den angehenden Fünfziger verraten, voll gütigen Ernstes und tiefer Ergriffenheit auf eine junge Frau gerichtet, die zusammengesunken in schwarzen Trauerkleidern auf einem Stuhl vor ihm kauert. Die Frau schluchzt hemmungslos. Der Professor läßt sie geduldig gewähren. Nach einer Weile hebt die Frau mühsam das verweinte Gesicht und stottert gequält: „Herr Professor, — ent schuldigen Sie gütigst — es ist so furchtbar schwer. — Unser Maxel war ein — goldiger Bub.“ „Liebe Frau Pütsch, wir haben getan, was in unserer Macht stand“, sagt Otto Heubner langsam. „Ich weiß es, Herr Professor“, versichert die Besuche rin. „Mein Mann und ich sind überzeugt davon. — Mein Gott, gibt es denn gar kein Mittel gegen diese — furcht bare Krankheit?!“ „Leider nein, Frau Pütsch, wenigstens kein sicher wirkendes“, antwortet Heubner. „Wir haben seit der Eröffnung dieses Krankenhauses am 6. Dezember vori gen Jahres bis heute, also in einem Zeitraum von sieben Monaten, rund siebzig diphtheriekranke Kinder aufge nommen. In jedem einzelnen Fall haben wir das Men schenmögliche getan, was nach dem heutigen Stande unserer ärztlichen Kunst zu tun war, um die Kleinen zu retten. Trotzdem sind fünfzig dieser Kinder gestorben. Die Diphtherie ist der Mörder der Kinder. Für uns Ärzte ein unbesiegter Feind.“ Die junge Frau weint laut auf. Der Professor tritt leise zu ihr und streichelt ihr begütigend über die verkrampf ten Hände. „Es ist unendlich schwer, Sie zu trösten. Ich kann es nicht. Aber vielleicht denken Sie an Ihre beiden gesunden Kinder daheim. Vielleicht denken Sie auch an