66 Gunter Just Ostragehege und Stadtentwicklung Wohl alle die Beiträge dieses Heftes beschäftigen sich mehr oder weniger mit Aspekten der Stadtentwicklung. Insbesondere die Geschichte des Großen Ostrageheges läßt - bei allem Wechsel der Werte- und Zielvorstellungen - erkennen, daß das Ostragehege schon Generatio nen von Auftraggebern und Planern beschäftigt hat, schon oft Gegenstand heftiger Auseinan dersetzungen war und im Gefolge äußerer Ereignisse letztlich doch nicht einen Entwicklungs stand erreichte wie andere, zentral gelegene Teile der Stadt. Diesen Umstand können wir heute nur als außergewöhnlichen Glücksfall und als große Chance werten. Welche Stadt hat schon so zentrumsnah eine Entwicklungsfläche dieser Größenordnung. Das eigentliche Ostragehege mit ca. 200 ha ist umgeben von zwar stärker besetzten, aber dennoch erheblichen Gebieten mit großen Entwicklungspotentialen. Die Wilsdruffer Vorstadt, die Friedrichstadt, die Leipziger Vorstadt, das Gebiet Kaditz/Mickten. Es besteht also im weiteren Umfeld ein Entwicklungsraum von ca. 600 ha, dessen Herzstück das Große Ostragehege darstellt. Die Wende eröffnete die Chance, die Leitbilder der Stadtentwicklung neu zu definieren; die Analyse des Übernommenen und Ererbten war - genauso wie das Ausloten der Potentiale und Chancen unter völlig neuen Gesichtspunkten - eine gewaltige Aufgabe. Die anfängliche Hektik und Begehrlichkeit, sich überschlagende Euphorie, die Angebote heil bringender Investoren, besserwissender Entwickler und Schnellvermarkter im Widerstreit zu den Mahnern und Bewahrern führte letztlich zu einem fruchtbaren Läuterungsprozeß. Die Diskus sion um die IGA 2003 trug wesentlich dazu bei, daß sich breite Kreise wieder und zum großen Teil erstmalig überhaupt mit dem Ostragehege beschäftigten. Viele redeten lang und breit über das Ostragehege, ohne es besucht zu haben, geschweige denn, die Stadtentwicklungspotentiale einschätzen zu können. Viele waren auch im Ostragehege und erkannten dennoch nicht die hin ter Müll, Schrott, verfallenen Gewerbeobjekten verborgene Schönheit und Entwicklungschance. Die aktuellen Probleme schienen den Blick auf die Zukunft zu blockieren. Das Große Ostragehege und sein Umfeld bietet viele bedeutende Ansätze ftir die Stadtent wicklung: 1. Richtet man den Blick auf ganz Dresden, so wird offensichtlich, daß die historische Ent wicklung zu einem Qualitätsgefälle geführt hat. Östlich des Zentrums ist die Stadt im wesent lichen wohlgeordnet: Parks, Gärten, Kulturangebote, Villenviertel und »gutbürgerliche« Wohngebiete bestimmen diesen Teil der Stadt. Der Dresdner Westen, schon über hundert Jahre stärker durch Industrie, Gewerbe, Verkehrsanlagen, Arbeitervorstädte geprägt, hat ein signifikantes Defizit an soziokulturellen Angeboten. Dieses Niveaugefälle kann und muß in