Mitteilungen über die Verhandlungen des Ordentlichen Landtags im Königreiche Sachsen / 2. Kammer

II. K. 96. Sitzung, am 11. November 1912 3759 (Berichterstatter Abg. Braun.) schulen, welche bei dem Inkrafttreten des Gesetzes In haberinnen waren, und die beiden Lchrerinnenprüfnngen in Sachsen oder dieser gleichwertige Prüfungen be standen haben, die Genehmigung zur Umwandlung ihrer Anstalt in eine höhere Mädchenschule umer der Be dingung zu erteilen, daß spätestens nach Ablauf von sieben Jahren, von Beginn der Übernahme der Leitung an gerechnet, die Umwandlung der Schule bezüglich der Lehrkräfte stattfinden muß." Wenn man dieses Entgegenkommen der Regierung be achtet, so muß man sagen, daß es ein reichliches Entgegen kommen ist, wofür der Regierung nur Dank zu zollen ist. Nun handelt es sich nur noch um die preußischen Oberlehrerinnen. Da ist die Regierung auch insoweit entgegengekommen, als sie gesagt hat, man würde unter gewissen Voraussetzungen in Ansehung der Leistungen dieser Oberlehrerinnen und der Leistungen der Schule an und für sich kein Bedenken tragen, solche preußische Oberlehrerinnen an der Schule zu belassen und sie den akademisch gebildeten gleich zu erachten. Nun kommen wir aber, meine Herren, noch zu den Prüfungen. Es ist vorgeschrieben, daß die Schülerinnen privater Mädchenschulen, wenn sie an eine öffentliche höhere Mädchenschule übertreten wollen, eine Prüfung bestehen. Das haben auch die Petenten als be lästigend und sür das Fortbestehen ihrer Schulanstalten D störend empfunden. Nun müssen wir aber bedenken, daß bei uns diese Prüfungen für die Knabenschulen bestehen; in Preußen bestehen sie allerdings nicht, aber es sind auch dort Erörterungen im Gange, diese Frage gleich mäßig mit der Zeit für das Deutsche Reich zu lösen. Wenn wir aber diese Prüfungen bei uns in Sachsen für die mittleren Knabenschulen haben, warum sollen wir sie nicht auch für die sogenannten höheren Mädchenschulen einführend Denn was den Knaben recht ist, muß auch den Mädchen billig sein; namentlich wenn die Mädchen eine immer höhere Bildung anstreben, dann müssen sie sich auch die gleiche Behandlung wie die Knaben gefallen lassen. In der Ersten Kammer ist sehr treffend gesagt worden, man solle die Mädchen nicht verzärteln, sie sollten etwas abgehärtet werden; solche Prüfungen Härten ab. Also die Staatsregierung kann von dieser Aufnahme prüfung nicht abgehen, weil sie sie sonst auch bei den anderen Mittelschulen aufgeben müßte. Zuletzt aber handelt es sich noch um die Abgangs prüfung. Die privaten Mädchenschnlen wollen das Recht der Abgangsprüfung haben. Es ist aber in dem Gesetze, das wir vor zwei Jahren beschlossen haben, gesagt: die Regierung kann durch eine besondere Prüfungskommission an den höheren Mädchenschulen Prüfungen vornehmen lassen. Da sagen nun diese Privatmädchenschulleiterinnen: II. K. (2. Abonnement.) Wenn unsere Schülerinnen diese Prüfungen nicht ablegen (6) können oder wollen, so kommen sie schlechter weg; wir können ihnen kein Abgangszeugnis geben. Die Regierung hat erklärt: ja, ein Abgangszeugnis können diese Mädchen wohl bekommen, aber es wird immer darin bestehen, daß eine Abgangsprüfung nicht abgelegt worden ist. Nun haben die Petenten angeführt, es wäre zu schwierig für die Mädchen, vor ganz anderen Lehrern als vor denen, von denen sie Unterricht erhalten hätten, geprüft zu werden. Da ist nun die Regierung auch in soweit entgegengekommen, als sie erklärt hat, sie wolle an geeigneten Schulen diese Prüfungen vornehmen lassen und rechtzeitig bekannt geben, an welchen Schulen diese Prüfungen abzulegen seien. Ich will hier gleich bemerken, es hat letzte Ostern zum erstenmal an dem Dresdner Lehrerinnenseminar eine Prüfung solcher Mädchen statt gefunden. Diejenigen Mädchen, die die Reifeprüfung nicht bestehen, werden auch nicht die Berechtigung haben, eine Studienanstalt zu besuchen, können also nicht in ihrem Studium weiterkommen. Es wird aber das Zeugnis, das sie von ihrer Privatschule haben, ihnen ja jedenfalls im bürgerlichen Leben immerhin manche Wege ebnen. Nach alledem haben wir gefunden, daß die Königl. Staatsregierung den Petenten sehr weit entgegengekommen ist — und das ist jedenfalls im Interesse der privaten Schulanstalten zu begrüßen—, daß aber eine Änderung des W) Gesetzes durchaus nicht beabsichtigt wird, weder von den Kammern, noch von der Regierung. Ein Gesetz, welches eben erst so kurze Zeit besteht, kann man nicht schon wieder ändern. Wir haben deshalb in Übereinstimmung mit der Ersten Kammer folgenden Antrag beschlossen: „die Petitionen, insoweit sie sich nicht durch die Erklärungen der Königl. Staatsregierung erledigt haben, auf sich beruhen zu lassen.^ Ich habe Jhnenvorzuschlagen, diesen Antrag anzunehmen. Präsident: Das Wort hat der Herr Abg. vr. Zöphel. Abg. vr. Zöphel: Meine Herren! Ich will keine Gesetzesänderungen in Aussicht nehmen, ich bin auch der Auffassung, daß die Erklärung der Regierung ein nennens wertes Entgegenkommen enthält. Die Streitigkeiten zwischen dem preußischen und dem sächsischen Schulsystem bei Aus bildung der Oberlehrerinnen will ich auch unberührt lassen. Nur das: ich habe den Eindruck, als wäre das sächsische System in seinem Aufbau dem preußischen vorzuziehen. Ich bin nun der Auffassung, daß die augenblicklich geschaffene Sachlage den Ansprüchen genügt, wie sie von der Seite gestellt worden sind, die die Petenten darstellen, und daß wir keine Veranlassung haben, weiter zu gehen, als die Deputation beantragt. 539