62 Heidrun Laudel Villenbau an den Loschwitz-Wachwitzer Elbhängen Was für die städtische Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. und beginnenden 20. Jahr hundert im allgemeinen gilt, trifft auch für die nordöstlich gelegenen Vororte Dresdens, für die Gegend zwischen Loschwitz und Pillnitz zu. Die einst weit vor der Stadt gelegenen dörf lichen Siedlungen haben ihren Charakter und ihr Gesicht in diesem Zeitraum gründlich ge wandelt. Die zuvor dem Weinbau dienenden Hänge sind mit Sommersitzen der erholung- suchenden Städter überzogen worden. Obwohl es schon im 16. Jahrhundert üblich wird, eine Parzelle außerhalb der Stadtmauern zu erwerben und so Weinberge nicht nur zu bewirtschaften, sondern zugleich als Rückzug in eine landschaftliche Idylle zu nutzen, bot das Siedlungsgebiet der rechtselbigen Hänge noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts weitgehend das Bild dörflicher Abgeschiedenheit. Die Anwesen, die für den sommerlichen Aufenthalt ausgebaut wurden, waren einfache, durch Giebeldach, Fensterläden und Weinspaliere geprägte Bauten, wie sie uns in idealer Proportionierung im Körnerhaus entgegentreten." Etwa ab der Jahrhundertmitte setzt eine Entwicklung ein, die die Elbhänge zu ausgesprochenen Villenvororten werden läßt und die in den Jahren um 1900 in einem regelrechten Bauboom kulminiert. Die einzelnen Hügel werden immer dichter und dazu mit Gebäuden ganz unterschiedlicher Gestalt besetzt. Durch das hängige Gelände teils extrem in die Höhe getrieben, geben sie mit ihren Tür men und Erkern dem Gebiet einen malerischen Charakter eigener Art. Im ganzen entsteht eine Struktur, innerhalb derer die einstigen Weinberghäuser (wie das Haus Josef-Hegen barth-Weg 18), sofern sie nicht grundlegend umgebaut worden sind, nur noch als roman tische »Einsprengsel« erscheinen. Man möchte es bei diesem allgemeinen Eindruck belassen, das Gesamtbild nicht zerstö ren, vielleicht der Wahrheit zuliebe noch hinzufügen, daß diese Entwicklung durchaus auch Kritiker fand. Vor allem aus dem Kreise der Städtebauer ist bald angemerkt worden, daß sich hier der übliche Prozeß der Zersiedelung vollzog, Naturraum über die Gebühr angetastet wurde. Man scheut die genauere bauhistorische Analyse, die manches Skurrile zutage fördert bis hin zu »Bausünden«, die hier vielleicht weniger als anderswo ins Auge fallen, weil sie oft Zeugnis der Lebendigkeit des Ortes sind. Es besteht die Gefahr des puristischen Ästhetisierens in einem Siedlungsraum, dessen Bedeutung zunächst eine allge mein kulturelle ist, der als Sommersitz bedeutender Dresdner Persönlichkeiten, darunter vieler Künstler, ein Stück komprimierter Geschichte darstellt.