Musik, Text und Kontext des Weißenfelser Schütz-Fragments 111 erwarten lässt, könnte eben am Ende der vorausgehenden Zeile erfolgt sein. Gemäß der Ver zahnung der viersilbigen Textglieder, nun möglicherweise in chorischem statt solistischem Alternieren, fiele die Silbe „Gott“ wie hier am Beginn der 5. Zeile des Fragments auf den Mensurbeginn, an dem zugleich das nächste Glied der anderen beteiligten Gruppe einsetzt. Die musikalische Parallelität der fünften zur vierten Zeile stützt diese Annahme. Textmarken bei solchen Wiederholungen erneut zu schreiben, entspricht dem Usus, wie zahlreiche Bei spiele aus Condnuo-Stimmbüchern und handschriftlichen Stimmen belegen. Was sich zwischen den beiden Abschnitts-Anfängen der ersten und vierten Zeile musika lisch ereignete, lässt sich nur erahnen. Auffällig ist das Aufsuchen tiefster Bass-Regionen (C in der zweiten Zeile des Fragments), was dazu verlockt, hier eine musikalische Reaktion auf den entsprechenden Psalmvers „Er duckt sich, drücket nider, / Vnd stösset zu boden den Armen mit gewalt“ zu vermuten (Abbildung 8). Unter der tiefsten Note C befanden sich Schriftzeichen, die nicht mehr zu erkennen sind. Dass andererseits keine weiteren Textmar ken zu sehen sind, ist wohl weniger darauf zurückzuführen, dass Psalmverse in der Verto nung übersprungen worden wären, als vielmehr dem üblichen Verfahren geschuldet, nur ein zelne, signifikante, eventuell formal relevante, mit einem Satztyp- oder Besetzungs-Wechsel einhergehende Stellen anzuzeigen. Abbildung 8 Dem großen C ging zunächst eine Minima G voraus, die später zur Semiminima ausge füllt und durch eine zweite Semiminima G ergänzt wird — möglicherweise hebt Schütz damit eine typische rhythmische Vereinfachung des Basses wieder auf und gleicht sie der Textdekla mation der Singstimme(n) an Die von der Bezifferung geforderte Klangfolge verdient Beachtung: Dem Quintfall auf den C-Klang folgt neuerliches G-Dur, angezeigt durch die Ziffer 3, die in erster Linie stimmführungstechnisch relevant ist. Über A soll, wie das |> darüber signalisiert, nicht die große Terz eintreten, die einen nach d leitenden Kadenz kontext suggerierte. Stattdessen erscheint im Folgetakt ein unbezifferter Klang über der Mini ma E (also mit kleiner Terz und ohne kadenzierende Wirkung). Die bezifferte Stimme ist mit Taktstrichen notiert: Für die übrigen Stimmen nicht zu er warten, ist dies bei Continuo-Parts für Schütz üblich, ja beinahe obligatorisch 54 . Für die 54 Vgl. die bereits erwähnte Stimme zu Christ ist erstanden, abgebildet u. a. in: Kurt Gudewill u. a., Art. Schüfy Heinrich, in: MGG 12 (1965), Sp. 202—226, hier Sp. 215. Auch beispielsweise in den gedruckten