I. S. Bachs Bearbeitung der Kliasa sine nomine von Palestrina. 127 Messe in der Gesamtausgabe und der Bachschen Bearbeitung be züglich der Textverteilung. Bach hat hier viele Änderungen und Umstellungen der Worte vorgenommen, die wohl zum Teil auf die Fassung seiner Vorlage zurückzuführen sind. Daß er miserere nostri und nicht nodis singt, ist eine weit verbreitete Änderung des liturgischen Textes die nicht verwunderlich ist. Die Änderungen in der Textunterlegung beruhen vor allem auf dem Streben, die Hauptsilbe zu betonen und den Silbcnwccbscl aus dem Taktakzent eintreten zu lassen, gleichgültig ob er nach einem Minimen-Melisma eintritt oder nicht. Diese beiden Prinzipien treten gleich bei den ersten Takten des Kyrie deutlich hervorH. (Beisp. s. nächste Seite.) Man beachte nur die Tertunterlcgung im Baß. Grundsätzlich sucht Bach die Endsilbendchnung zu vermeiden. Sie tritt zu Gunsten der Betonung der Akzcntsilbe durch Dehnung zurück. Bach unter scheidet genau zwischen Haupt- und Nebensilbe und sucht sie dies bezüglich den Akzenten der Musik unterzuordnen, während bei Pale strina umgekehrt die musikalischen Akzente durch die deklamatorischen bedingtsind. Diese freie Deklamationörhythmik des 16. Jahrhunderts?) lag dem 18. Jahrhundert ferne; es mußte den rhythmischen Ablauf trotz strenger kontrapunktischer Führung der Stimmen in sein Takt schema pressen, d. h. allen Stimmen die gleichen Akzente geben. In der Akzentfrage, mit der auch die verschiedenen Neuerungen der periodischen Gliederung Zusammenhängen, liegt einer der wichtigsten Unterschiede zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert, der bei den Nachahmungen des alten Stils im 18. Jahrhundert zu besonderer Bedeutung gelangte. Außer diesen deklamatorischen Änderungen Joh. Scb. Bachs macht sich in unserem Beispiel auch seine ganz andere Auffassung von der Ton art bemerkbar. Er zeigt hier kein Verständnis für reine Kirchentonart, sondern sucht sie durch Einführung der Subsemitonien möglichst dem modemen Dur und Moll anzugleichen. Dadurch werden manche im Wesen der Kirchentonart liegenden Wirkungen zerstört. 1) Der gewöhnliche Druck des Textes gibt die Fassung Joh. Seb. Bachs, der Kursivdruck die Originalfassung. 2) Au dieser Frage vgl. A. Schering, Takt und Sinngliederung in der Musik des 16. Jahrhunderts. Archiv für Musikwissenschaft II, 1919/20, und Scherings Ausgabe der Klissa kapas Klarcelli bei Culenburg 1923. K. H. Fellerer, Die Deklamanonsrhythmik in der vokalen Polyphonie des 16. Jahrhunderts. Düffel: dorf 1928.