122 Kleine Beiträge gegen seine Gewohnheit nicht im Zuschauerraum - ein Indiz für die sich be reits im Frühjahr 1755 zuspitzende politische Lage. 17 Unabhängig davon gab es für Johann Christian Bach in dieser Zeit ausreichend Gründe, Berlin so bald wie möglich zu verlassen: Die Unvereinbarkeit der von Marpurg ihm attestierten „feinen Empfindung“ mit dem konservativen Berliner Stil, wie ihn Quantz und der König am aus geprägtesten verkörperten. Die offenbar schon früh entwickelte Affinität zur Oper und zum italienischen Stil und das Streben, Studien an der Quelle zu treiben, nach Möglichkeit in Neapel, der „Musikhochschule Europas“, der „Capitale du monde musicien“.' s Permanente personelle Krisen in Theater und Hofkapelle, bedingt durch die Geschmacksdiktatur des Königs sowie dessen - angesichts politischer Probleme und kostenaufwendiger Kriegsvorbereitungen - schwankendes Kunstinteresse. Pläne C. P. E. Bachs, seine Stellung am preußischen Hofe aufzugeben und gegebenenfalls in einer Stadt zu wirken, in der kein Opernhaus existierte (Be werbungen in Leipzig 1750 und 175 5, in Zittau 1753). 111 Nach alledem besteht wenig Anlaß, an der Glaubwürdigkeit von Marpurgs Bericht zu zweifeln. Für die Berliner Ausbildungs- und Schaffensjahre des jüngsten Bach-Sohnes muß künftig der Zeitraum von Sommer 1750 bis (min destens) Frühjahr 1755 in Betracht gezogen werden. Wohin Johann Christian Bachs Reise, die er zwischen dem 26. März und etwa der Jahresmitte 1755 angetreten haben muß, zuerst führte, wissen wir nicht. Neben Mailand und Bologna ist schon hier vor allem an Neapel zu denken, wo an der Spitze des Staates ein Herrscherpaar stand, dem Gottsched und Johann Sebastian Bach im April 1738 mit der Kantate „Willkommen, ihr herrschenden Götter der Erden" (BWV Anh. 13) gehuldigt hatten: Der musikalisch wenig interessierte Karl III. und die den Künsten um so tatkräftiger zugewandte Maria Amalia, eine geborene Prinzessin von Sachsen. Vielleicht konnte ein sächsischer Unter tan hier leichter als anderwärts Fuß fassen. 20 Hans-Joachim Schulze (Leipzig) G. Thourct, Friedrich der Große als Musikfreund und Musiker. Leipzig 1898, S. 58. 18 Vgl. MGG 9, Sp. 1331 und 1333 f. 19 Vgl. BJ 1937, S. 137 ff. (H. Miesner). D cr Vollständigkeit halber sei noch C. P. E. Bachs jüngster Sohn, der Maler Johann Se bastian Bach (1748-1778), genannt, der seit 1776 in Rom weilte und hier gestorben ist (vgl. H. Miesner, BJ 1936, S. m ff.). Daß er als Stipendiat nach Italien gereist war, zeigt W. Handrick, Geschichte der sächsischen Kunstakademien Dresden und Leipzig und ihre Unterrichtspraxis 1764-1815, Diss. (masch.-schr.), Leipzig 1957, S. 164-166.