Zur Problematik der Bach-Orgel Von Gottbold Frotscher (Berlin) Die Frage nach der klanglichen Gestalt der „Bach-Orgel" — nur diese soll uns hier beschäftigen, nicht ihre technische Form — ist in den verschiedenen Perioden der Bach-Auffassung und -Aufführungs praxis von den verschiedensten Seiten aus in Angriff genommen und demzufolge mit den verschiedensten Ergebnissen beantwortet worden. Ihre Problematik bildet sich aus der Diskrepanz zwischen Werk und Wiedergabe, wie sie nach dem Stileinbruch des 18. Jahr hunderts entwicklungsgeschichtlich eintreten mußte, aus der not wendigen Gegensätzlichkeit zwischen historisch festgelegter Formung des Werkes und fortschreitender Wandlung des Klangidealö, einer Wandlung, an deren Ende neue Typen als zeitbedingte, historisch gebundene Formen im Sinne neuer Thesen und Antithesen stehen. Ihre Lösung wird diese Problematik finden, soweit Probleme über haupt lösbar sind, wenn aus zeitbedingten Orgeltypen das Wesen haste heraustritt, um mit dem Wesenhaften des Kunstwerkes eine Einheit einzugehen. Dmn auch bei der Bach-Orgel handelt es sich nicht um die Frage nach alt oder neu im landläufigen Sinne. So wenig das Werk Bachs alt im Begriff einer abgeschlossenen histo rischen Tatsache ist, so wenig kann die Bach-Orgel ein Typ sein, sondern vielmehr ein Ideal, und als solches soweit realisierbar, wie Ideen einer Verwirklichung fähig sind. Eine sich innerlich und äußerlich vom Wesen des Werkes ent fernende, aus der Werktreue zu subjektivistischer Umfärbung ge langende Interpretation Bachscher Orgelmusik konnte ihr Ideal in einem Instrument erblicken, das mannigfache Abschattierungen sub jektiver Auffassungen ermöglichte, dessen besonderer angeblicher Fortschritt gegenüber der Orgel der Bach-Zeit in einer labilen Viel farbigkeit, gesteigerten Klangmasse und größeren Mannigfaltigkeit