Bachs Verbesserungen und Entwürfe Von Georg Schünemann (Berlin) Daß man sich im Gegensatz zu Beethoven noch nie mit Bachs Arbeitsweise, mit seinen Verbesserungen und Entwürfen beschäftigt hat, liegt zum Teil im überlieferten und erhaltenen Material be gründet. Wir besitzen Tausende von Skizzierungen Beethovens, aber kein einziges Entwurfsblatt von Bach. Zum andern ist die Arbeits weise beider Meister grundverschieden. Beethoven ringt mit dem gedanklichen und musikalischen Stoff, er ändert und verändert, bis alle Teile zu einem festen dramatischen Aufbau gefügt sind, Vach legt mit dem Thema, das aus einem einzigen Guß geformt scheint, auch Entwicklung und Weiterführung fest; das Thema gebiert gleich sam aus sich die musikalische Bearbeitung und Entfaltung. Wir können demnach bei Bach keine Skizzierungen finden, die einem Gedanken immer neue Wendungen abgewinnen und ihn zur letzten Ausdruckssteigerung straffen wollen, aber wir werden Verbesse rungen in der Linie sehen, in einzelnen Führungen und Wendungen und sogar Entwürfe entdecken, die ein neues Thema bringen, eS ab ändern, liegen lassen oder neu anfangen. Nicht alle Handschriften Bachs gestatten einen Einblick in seine Arbeitsweise. Reinschriften, wie die Partituren der Matthäus- Passion (P. 25)*) oder der Brandenburgischen Konzerte (Am. Bibl. 114) scheiden bei unserer Betrachtung überhaupt aus. Sie zeigen keine Spurm des ersten Entwurfs mehr. Auch Übertragungen und Umarbeitungen, wie sie etwa im Magnificat aus O (P. 39) oder in einzelnen Teilen des Weihnachtsoratoriums (P. 32) vorliegen, bieten für unsere Frage nichts Wesentliches. Man muß schon auf die ersten, 1) Die Signaturen beziehen sich auf die Eigenhandschriftcn Bachs in der Berliner Staatsbibliothek. Bach-Jahrbuch is;;. l