Zur Problematik der Bach-Orgel 109 gemäß vom Historischen aus aufrollt. Je mehr in der Biographik und Geschichtsforschung das Werk Bachs als Gipfelung der Kräfte seiner Vorzeit erkannt wird, um so weiter wird das Ideal der Bach- Orgel zurückdatiert. Die elsässisch-neudeutsche Orgelbewegung er blickt als beste und für Bachsche Musik am meisten geeignete Orgeln die etwa zwischen 1850 und 1880 erbauten, weil sie in ihnen eine Fortsetzung des Ideals der Silbermann-Orgel zu finden glaubt; sie inspiriert damit die landläufige Gleichsetzung von Bach-Orgel gleich Silbermann-Orgel und umgekehrt. Die von der Neuentdeckung norddeutscher Dispositionsideale vorwärtsgetriebene neuere Orgel bewegung findet ihr Vorbild in der Orgel des 17. Jahrhunderts, und ihr eröffnet sich die Problematik der Bach-Orgel aus der Er kenntnis der Verwurzelung Bachscher Stilideale im norddeutschen Kreise. Ja sogar die auf Klangstilismen des 16. Jahrhunderts zurückweisende Praetorius-Orgel wird gelegentlich wegen ihres Spaltklanges mit dem Ideal der Bach-Orgel in Beziehung gesetzt. Wenn mit der Wiederentdeckung der Orgeln des Barock die Frage der Bach-Orgel ihrer Lösung näher geführt worden ist, so deshalb, weil zweierlei diese Instrumente zu Bachs Musik in Beziehung setzt: die Tatsache, daß Bach vorzugsweise solche Instrumente gespielt hat, und daß ihr Klangideal mit dem Klangideal der Orgelmusik Bachs weitgehend übereinkommt. Mit der Erkenntnis dieser Tat sachen, die weiter unten belegt werden sollen, ist aber die Frage der Bach-Orgel an sich noch nicht beantwortet. Eine solche Beant wortung würde die sogenannte Barockorgel nach ihrem Typ ver allgemeinern und ihre historisch bedingte Form als Endglied einer möglichen Entwicklung festlegen. Der Orgelbau der Gegenwart und Zukunft müßte damit zu andauernder Kopie werdm, oder es müß ten, was ja bereits eingetreten ist, mit dem sogenannt barocken Typ andere Typen verkoppelt werden, um die Zwitter jener angeblichen Universalinftrumente zu erzeugen, die als „Kompromißorgeln" die neue Orgelbewegung in Verruf gebracht haben. Es erscheint daher als notwendig, vorerst über den Begriff der sogenannten Barockorgel Klarheit zu gewinnen. In der Orgelbauer und Organistensprache ist es fast gängig geworden, von barockem Klang, barocken Registern, barocken Dispositionen, barocken Men suren zu reden. Eine derartige Typologie, aus der Gegensätzlichkeit