26 Peter Wollny die probe zu hören“. 3 Gemeint sind hier die Kandidaten Gottfried Kirchhofif aus Quedlinburg, Valentin Bartholomäus Haußmann aus Schafstädt, Melchior Hoffmann aus Leipzig und Simon Conrad Lippe aus Magdeburg. Der ebenfalls in dieser Sitzung gefaßte Beschluß, zur Begutachtung der Proben Johann Kuhnau aus Leipzig und Johann Philipp Krieger aus Weißenfels zu verpflichten, wurde am 17. Januar 1713 auf Antrag des Ratsmeisters Andreas Ockel wieder fallengelassen. Zu diesem Zeitpunkt hatten „verschiedene Künstler sich bereits höhren laßen“, und um die Kosten möglichst gering zu halten beschloß man, „mit Zuziehung einiger verständigen hir in loco ein Subjectum“ zu wählen, wollte jedoch „vorhero noch Herrn Hoffmann auß Leipzig“ Gelegenheit zu einem Probespiel geben. 4 Die Protokolle lassen die Wiederbesetzung der Organistenstelle seitens des Collegiums als nicht allzu dringliches Problem erscheinen. Dies mag zum Teil dadurch begründet sein, daß der im Spätsommer 1712 in Angriff genommene Neubau der großen Orgel gesteigerte Aufmerksamkeit beanspruchte. 5 Aller dings erforderte die Situation auch keine schnellen Entschlüsse, denn die Bewilligung des traditionellen Gnadenhalbjahres für die Witwe des verstorbe nen Organisten gewährleistete die vorläufige Fortführung der Kirchenmusik: Für eine befristete Weiterzahlung des Organistengehalts und der zugehörigen Akzidentien übernahm Maria Dorothea Zachow die Verpflichtung, mittels eines von ihr gestellten und zu bezahlenden Substituten die Kantatenaufführungen und das gottesdienstliche Orgelspiel an der Marienkirche zu garantieren. 6 Manches deutet darauf hin, daß das Collegium die Einstellung eines neuen Organisten für genau den Zeitpunkt ins Auge faßte, da das Maria Dorothea Zachow zugestandene Gnadenhalbjahr auslaufen würde, also Mitte bis Ende März 1713. Ein unvorhergesehenes Ereignis hatte jedoch eine Änderung dieser Pläne zur Folge. Am 25. Februar 1713 verstarb der preußische König Friedrich I., und die daraufhin verhängte Landestrauer, die ein Musizierverbot in den Kirchen mit einschloß, machte einerseits eine Fortsetzung der Probespiele vorerst unmög lich, enthob andererseits aber das Collegium bis auf weiteres der Notwendigkeit, einen neuen Organisten zu engagieren. Die Verhandlungen wurden - zumindest offiziell - vorerst eingestellt und laut Protokollbuch erst am 3. Juli wieder auf genommen. Dies impliziert, daß zum Zeitpunkt der einsetzenden Landestrauer noch kein Konsens über die Organistenwahl gefunden war; vermutlich war es auch noch nicht zu einem Probespiel Melchior Hoffmanns gekommen. 3 Archiv der ev. Kirchengemeinde U. L. Frauen, Halle (im folgenden: Marien-Archiv), P Nr. 7, Protokoll-Buch des Kirchen-Collegii der Kirche zu Unserer Lieben Frauen zu Halle vom 5ten December 1659 bis lOten Mcerz 1767 (im folgenden: Protokollbuch), fol. 294 v . 4 Ebd. 5 Näheres hierzu bei Serauky II/l, S. 479-483. 6 Marien-Archiv, Belege zu den Kirchenrechnungen 1712/1713 (im folgenden: Quittungs buch), fol. Z 11. Z 25-26, und Z 47. Die Quittungen belegen, daß M. D. Zachow neben dem Organistengehalt Zuwendungen für die Musik zu den Katechismuspredigten im Herbst und im Frühling {Zll und Z 47) sowie Wohngeld für die Quartale Crucis und Luciae (Z 25-26) erhielt.