Je weiter nach Osten, desto stärker wird die Dehnung und Breite in der Aus sprache. Es sind das eigentümliche sprachlicheVorgänge, die sich schwer beschreiben lassen. Man kann im allgemeinen sagen: Es wird weniger aus voller Brust, mehr mit den Zähnen gesprochen; bei Doppellauten wird der zweite Selbstlaut unmittel bar leicht hinterhergeschlagen, so daß eine starke Dehnung entsteht, z. B. Haü-us, nei-i (nein). Das a lautet oft wie oa: joa = ja, oaber = aber. Der Ostpreuße liebt die Koseform. Statt des harten »Was?« sagt er gern: »Was chen?« (Plattdeutsch: »Watke?«) Der Knabe heißt: Jungche! Zu Mädels sagt man: Marjellchen! Das Wort Margell (gesprochen: Marjell) kommt vom Alt preußischen mergele, dieses vom Stammwort mergu = Magd, und wird noch oft an gewandt. So wird erzählt, daß der Bürgermeister einer Kleinstadt ausgerufen haben soll: »Marjell. bring ’s Kodder, der Schmant is iebergeschwaddert!« (Bringe den Lappen, die Sahne ist übergelaufen!) Ferner sagt man: Väterchen, Mütterchen, Hündchen (meist ohne Schluß-n), und der zärtliche Bräutigam begrüßt seine Zukünftige mit den Worten: »Na Menschche!« (was zuweilen wie »Manschche« klingt). In einer Straße kann man für »Kätzchen« folgende vier Formen hören: Katzche, Kaatzche, Katje, Katke. Die zweite Form ist hochpreußisch; Katje klingt ans Holländische, Katke ist plattdeutsch. Wenn der Gatte abends ausgeht, sagt die Hausfrau: »Mannche, vergiß man nich den Hausenschlüssel!« DerOhmche (Onkel) soll auf die Kinder achtgeben. Treiben sie es zu bunt, so mahnt er: »Kinder, rast nich!« Das »Jungche« fragt: »Ohmche, bist all achtzig?« — Das Marjellche meint: »Ich will e bunte Tut (Tüte).« Darauf erwidert der Onkel: »Oder nich doch!« Dieses »oder« ist entstanden aus dem alt preußischen Wort ndder (oder). So begleitet den Ostpreußen seine Mundart in allen Lebenslagen, und hat er das Glück, in heimischer Erde gebettet zu werden, dann sagt zum Abschluß der Toten gräber: »In Gott’s Noam’«, und schon ist der Sarg unten! Ein vor dem Kriege einmal veröffentlichtes Gedicht eines humorbegabten Ost preußen aus der Tilsiter Gegend soll diese kurze Betrachtung schließen. In diesem kleinen ostpreußischen Ortslexikon klingen alle Töne heimischer Mundart: von den heute nicht mehr verständlichen Lauten der alten Bewohner Ostpreußens bis zu den gemütlichen,uns allen vertrautenBezeichnungen. DemNachdenklichenoffen- bart sich darin aber auch die segensreiche Entwicklung, die dieses ehemals, als es noch keine Eisenbahnen gab, weitab von den Hauptstätten deutscher KulturgelegeneLand durchgemacht hat, das nur allmählich von dieser Kultur befruchtet werden konnte, aber nun zu den blühendsten Gefilden zu rechnen ist. Das Gedicht lautet: Mannigfach wie die Natur Sind die Namen unsrer Flur. Stark und unverbraucht und wild, Jeder Nam’ ein eignes Bild! Sprindt, Polompen, Endruscheiten, Parungaln, Katrinigkeiten, Groß-Britannien, Scherwerischken, Kaszemecken und Skudischken, Warr, Piktaten, Laukeninken, Schrost, Spirokeln, Oszepingken, Kampspowilken, Wannagupchen, Kuckemeese und Schelnupchen, Kuth, Augstieken und Kallnuggen, Timstern, Dommelkeim und Schuggen, Staggen, Dickschen, Bilderweitschen, Köllmisch-Kackschen,Gnie,Rekeitschen, Pappeln, Wabbeln und Dagutschen, Babbeln, Schuckein, Juckeln, Tutschen, Tutteln, Saugen, Bumbeln, Spucken, Groß-Aschnaggern und Drutschzucken, Schunkern, Puspem, Ischdagehlen, Mnlk, Groß-Dummen, Auxkallnehlen, Tarpupp, Pladden, Mallenuppen, Stumbragirren, Prosit, Puppen, Mixeln, Giggarn, Roponatschen, Draupchen, Schwirbeln, Norut schats chen, Ackmonienen und Werskepchen, Endlich nenne ich noch Schackein Und das schöne Örtchen Jackein, Ganz zum Schlüsse auch noch Guscht - Doch nun weiß ich weiter nuscht.