STÄNDIGE BEILAGE ZU DEN »TYPOGRAPHISCHEN MITTEILUNGEN Fachmitteilungen für die deutschen Korrektoren Herausgegeben von der Zentralkomraission der Korrektoren Deutschlands Vorsitzender: Artur Grams, Berlin C 54, Gipsstraße 12, III rechts. Verantwortlicher Schriftleiter: Friedrich Oberiiber, Berlin-Neukölln, Bergstraße 76/77,III August 1925 * Siebzehnter Jahrgang * Nummer 8 Stiftungsfest oder Gründungsfest? Von Max Sahlmann (Dresden) Der Sprachgebrauch hat viele Wörter hervorgebracht, die in bezug auf ihre Richtigkeit einer kritischen Untersuchung nicht standhalten. Ich bin nicht Neuerer um jeden Preis und lasse das, tvas Gemeingut der deutschen Sprache geworden ist und nicht direkt Falsches enthält, gelten. Wenn aber Begriffe vollständig auf den Kopf gestellt werden, so haben wohl gerade wir Korrektoren alle Veranlassung, darauf aufmerksam zu machen, daß die Bedeutung des Wortes eine ganz andre ist, als sie ihm gemeinhin vom Sprachgebrauch gegeben wird. Das aber scheint mir im vorliegenden der Fall zu sein, und bei der Häufigkeit der Anwendung ist es vielleicht doch nicht ganz zwecklos, sich über das Falsche oder Richtige klar zu werden. Unbedingt als falsch Erkanntes muß meiner Meinung nach entfernt werden. Die deutsche Sprache ist reich genug an Worten, die treffend und richtig zum Ausdruck bringen, was gesagt werden soll. Stiftungsfest! So ist es auf allen Einladungskarten, Vortragsfolgen, Festbüchern zu lesen. Von Berichten über »Stiftungs«feste wimmelt nicht nur der »Korrespon dent«, sondern alle Tageszeitungen sind voll davon, ohne daß sie sich bewußt sind, nicht wenig dazu beizutragen, dem deutschen Volk eine falsche Bezeichnung förmlich in den Mund zu legen. Weshalb denn falsch? wird mancher fragen. Der Gebrauch des Wortes Stiftungs fest ist doch schon uralt, und bisher hat noch kein Mensch Anstoß daran genommen. Ganz recht, die Anwendung des Wortes ist schon sehr alt, wird aber dadurch noch lange nicht besser, sondern ist lediglich ein Beweis dafür, wie der Sprachgebrauch gedankenlos sündigt, obwohl eigentlich schon das Sprachgefühl die falsche An wendung verhindern sollte. Was ist also daran? .. . An irgendeinem Tage haben sich mehrere Personen zu sammengefunden und haben einen Verein — gegründet. Hier haben wir schon die eigentliche Erklärung. Die Personen gründeten den Verein, können also in den folgenden Jahren auch nur das Fest feiern, an dem der Verein vor soundso viel Jahren gegründet worden ist. Dabei will ich gleich auf eine sehr zweckmäßige Unterscheidung hinweisen, die leider noch immer nicht überall beachtet wird: der Verein wurde gegründet, nicht begründet. Begründen kann man irgendeinen Antrag, einen Vorschlag, die Notwendigkeit einer Sache oder eines Gegenstandes, nicht aber einen Verein. Der muß gegründet werden. Es leuchtet wohl jedem ohne weiteres ein, daß man das Wort stiften nicht an wenden kann, weil es etwas ganz Falsches ausdrücken würde. Mit dem Wort »stiften« ist doch unzweifelhaft (der Begriff eines Geschenks verbunden. Ich kann dem Verein dies oder jenes stiften, d. h. als Geschenk übereignen. Wenn ich ein reicher Mann bin, so kann ich auch der Stadt eine Stiftung hinterlassen in Form