erzeuge durch leichtes Schwingen des Flachstichels die Wirkung einer flotten Pinselzeichnung. Der Kontrast zur Schrift wirkt immer gut, so gut, daß sehr schwache Entwürfe noch wirken. Das sind so kleine Hilfsmittel, die manche Kollegen mit großer Virtuosität und sehr gutem Erfolg öfters anwenden. Meine Betrachtungen zum Bildsatz möchte ich mit einer allerdings nicht mehr neuen Anekdote einleiten, um dieser geheimnisvollen und dunklen Frage die heitere Seite abzugewinnen: Eine Lehrerin möchte ihrer Klasse den abstrakten Begriff »Geduld« erklären. Sie schleppt ein großes Bild herbei, auf dem ein angelnder Knabe dargestellt ist. Sie erklärt, wie man gerade zum Angeln Geduld und wieder Geduld haben müsse. »Was braucht der also, der angeln will?« fragt sie erwartungsvoll am Ende der Stunde. »Regenwürmer!« brüllt der Chorus der Schüler wie aus einem Munde. Wir haben seitenlange Artikel für und wider den Bildsatz gelesen, genützt hat es nichts. Was gebraucht man zum Bildsatz? Nein, nein! Keine Regen würmer! Phantasie gebraucht man, viel Phantasie! Doch Spaß beiseite! Hier liegt der tiefste Grund unseres Kulturelends. Wir müssen unser Gefühl, das Kind in uns — nennt es, wie ihr wollt — unser Bestes unterdrücken: der eine, um Würde zu schnauben, der andere, um sein täglich Brot bitter zu verdienen. Wir arbeiten unfrei, weil wir ständig die Kritik fürchten. In einem mir be kannten Fall wurde an einem Typensatzadler 60 bis 70 Stunden gearbeitet, nur dieser unsinnigen Korrektheit zuliebe. Ist es nötig oder überhaupt an gebracht, dem Beschauer jede Nebensächlichkeit getreu bildzusetzen? Das Auge des Beschauers ergänzt alles, darum leben die Gestalten. Das Schönste am Bildsatz ist diese Anregung der Phantasie des Beschauers: aber nur anregen, nicht quälen! Alle guten Einfälle sollten aufgezeichnet und zum gelegentlichen Gebrauch in einer Mappe gesammelt werden. Man kann dann nach Bedarf die Sache für den besonderen Zweck neu durcbarbeiten. Die gute, originelle Wirkung ist wichtiger als die getreue Wiedergabe der Wirklichkeit. Der Bildsatz ist ein sehr gutes Mittel zur Bildung des Geschmacks. Man sollte aus schwarzen und farbigen gummierten Papieren gestanzte Bildsatzelemente in den Handel bringen. Auf Nonpareillepapier ließen sich damit — fern jeder Kritik — die schönsten Entwürfe zusammenkleben. Zur Technik des Bildsatzes ist eigentlich wenig zu sagen. Was einfach ist und im Nonpareillenetz bleibt, ist fast immer gut. Nützlich ist Diagonalausschluß. Beim Cicerostück ist die schräge Seite 17 Punkt lang, beim Konkordanzstück 68 Punkt. Die schrägen Satzteile müssen genau berechnet und mit Regletten auf Cicero ausgehend ergänzt werden. Dann hält der Diagonalsatz auch in der Form. Bildsatz wird gern stereotypiert, um die Linienansätze zu entfernen. Dabei dehnen sich die Messinglinien stärker als der Schriftguß und werden in der Platte zu hoch. Darum und aus anderen Gründen wird es manchmal zweckmäßiger sein, den Entwurf in Bildsatz, die Ausführung aber in Blei schnitt zu machen. Sind Bleischnitt und Bildsatz rationell? Unter den hier entwickelten Bedin gungen durchaus! Ein künstlerisch minderwertiger Entwurf wird auch bei seiner technischen Ausführung zu Schwierigkeiten und großen Zeitverlusten 262