Stilwidrige Plakate 9 der Künstler nicht vergessen dürfen, daß der weitaus größte Teil unseres deutschen Publikums für koloristische und sonstige rein künstlerische Probleme wenig Interesse und Verständnis hat, und daß ein Blatt, durch das es gefesselt werden soll, seinen Augen schmeicheln, es durch seinen Inhalt interessieren, erheitern oder gar ein wenig rühren muß. Daß diese Aufgabe sehr wohl durch rein künstlerische Mittel gelöst werden kann, beweist z. B. das allbekannte Plakat Steinlens für Tair puv stevilisö. das jedem gefällt und das doch auch vom künstlerischen Standpunkte aus die schärfste Kritik aushält. Es kommt eben alles darauf an, daß zwar der Geschäftsmann dem Künstler die Freiheit läßt, deren er bedarf, aber auch dieser sich stets bewußt bleibt, daß er zeitweilig im Dienste eines praktischen Zweckes schafft, den er mit den Mitteln seiner Kunst in vollkommenerer Weise erreichen soll, als es sonst möglich wäre. Dazu gehört auch unbedingt, daß die Schrift leicht lesbar ist. Für die heute so beliebten altertümlichen Formen und sezessionistischen Verschnörkelungen ist hier kein geeigneter Platz. Wie viele werden sich wohl im Getriebe großstädtischen Straßenlebens die Mühe nehmen, an der Aufschrift eines Plakates herumzubuchstabieren! Das gleiche gilt auch für Prospekte und Kataloge. Ich kenne beispielsweise mehrere Arbeiten Melchior Lechters für eine Leinwandfabrik, eine Möbelhandlung, die in Zeichnung und Farbengebung sehr fein und geschmackvoll sind, aber die altertümelnde Schrift ist für den, der nicht daran gewöhnt ist, sehr schwer lesbar. Wenn ich nun bedenke, wie wenig bei der Fülle der Zusendungen die einzelnen Reklamekarten und Kataloge gewöhnlich beachtet werden, so kann ich es wirklich nicht als zweckmäßig ansehen, wenn eine Hausfrau erst lange studieren muß, um zu ermitteln, wie das Wäschegeschäft, die Möbelfabrik heißt, die sie mit einer Zusendung beglückt hat, und ich halte es für ziemlich wahrscheinlich, daß solche Drucksachen oft ungelesen in den Papierkorb wandern. Erst seit den letzten acht oder neun Jahren hat die Plakatbewegung in Deutsch land nach einer längeren Periode des Stillstandes und Abflauens frisch und kräftig wieder eingesetzt, zumal in München und in Berlin, und eine Entwicklung ge nommen, die ihr hoffnungsvollere Aussichten eröffnet als je zuvor. Das ist vor zugsweise das Verdienst einiger Kunstanstalten, denen es schließlich gelungen ist, D ! ^iebhaberdeekeunir den Wetslersingern etliche Gaben tuverflnacn. Hanns SachsstincS.',>Nrsz>.Iabr. Abb.8. Ankündigung einer Singschule mit dem Bildnis von Hans Sachs Ende des sechzehnten Jahrhunderts (Zu Seite 18)