mitgewirkt, daß der Boden für eine spätere Tolerierung des Geheim protestantismus in den habsburgischen Landen aufgebrochen wurde. Das konnte auf die Dauer selbst im fernen Wien nicht verborgen bleiben. Man suchte seine Verbindungen mit dem Geheimprotestan tismus im aufrührerischen Böhmen aufzudecken. Der Graf stand tatsächlich mitten in einer evangelischen pietistischen Adelsopposi tion, die von Halle durch Kursachsen bis nach Oberschlesien eine Kette bildete. Eine Auffangorganisation hatte sich eingespielt, die Übertrittswillige, Katholiken aus habsburgischen Staatsgebieten, ob Adelige oder Kleriker, Bauern oder Handwerker, Tschechen oder Deutsche nach Brandenburg-Preußen weiterschleuste. Zinzendprfs Reisen zu den Grafenhäusern Oberschlesiens galten diesem Vorha ben. Dem Dresdner Hof wurde bedeutet, wie ungern man den neuen Unruheherd in der Oberlausitz nahe der böhmischen und österrei chisch-schlesischen Grenze sehen würde. Die Konsequenzen sollten in wenigen Jahren sichtbar werden. Bei dem Geheimen Rat in Dresden, dem Zinzendorf damals als Hofrat angehörte, genoß er noch starke Sympathie, allen Reibereien zum Trotz. Sein ganzes Verhalten war nicht destruktiv. Das sahen diese klugen Männer. Doch die traditio nell gewordene peinliche Rücksichtnahme Kursachsens auf die Wie ner Politik zwang sie, angesichts ihres katholisch gewordenen Kur fürsten, Akten über den Unruheherd in der Oberlausitz anzulegen. Sie sind zum überwiegenden Teil im Jahre 1945 vernichtet worden. Der Anmarsch einer bäuerlichen Elite und die Entstehung einer MERKWÜRDIGEN STADT Man kann nicht sagen, daß Zinzendorf bei seiner stürmischen Wer bung um Mitarbeiter viel Glück besessen hat. Die jugendliche Schar aus dem halleschen Pädagogium, die sich ihm einst verschworen hat te, war in alle Welt zerstreut. Nur Friedrich von Wattewille blieb unentwegt an seiner Seite. Der «Vier-Bruderbund» löste sich auf. Magister Scheffer erlahmte bei dem anhaltenden, teilweise sehr gehässigen Widerstand seiner mißtrauischen Kollegen in Görlitz. Von Krankheitsnöten und Fami liensorgen bedrängt, wurde er sehr still. Magister Rothe zog sich zu rück, als der Graf immer gewagtere Experimente unternahm, und wechselte schließlich in ein ruhigeres Pfarramt über. Der geniale Graf, der auf eigene Faust Christ war und bisher fast nur Enttäuschungen erleben mußte, empfing eine Elite dort, wo er sie nie vermutet hätte. Ein Zimmermann, Christian David, aus Mäh ren gebürtig, fragte den nicht einmal aufmerksam zuhörenden Gra fen nach einem Asyl für Glaubensflüchtlinge in Berthelsdorf. Zin zendorf sagte nicht nein, dachte aber daran, sie im Vogtland anzu-