Gabriela B. Christmann Dresden-Topoi in der Geschichte In diesem Beitrag wird der Topos-Begriff verwendet. Es ist nicht beabsichtigt, diesen in Kon kurrenz zum Mythos-Begriff einzuführen. Vielmehr soll die inhaltliche Konzeption desTopos- Begriffs als Ergänzung für die Entwicklung des Mythos-Begriffs angeboten werden, zumal Topoi innerhalb von Mythen häufig eine Rolle spielen. 1 Bei Aristoteles sind Topoi Fundorte für Argumente. Ein Topos ist ein Argumentationsreser voir mit typischen Formulierungsweisen. Es wäre jedoch verfehlt, den Topos an feststehenden Wörtern oder Wendungen festzumachen. Das Konzept der Topik hat gegen Ende des 20. Jahr hunderts von sozialwissenschaftlichen Theoretikern insofern eine Erweiterung erfahren 2 , als Topoi nunmehr zusätzlich als überlieferte Deutungsmodelle verstanden wurden, die Angehöri gen einer Gemeinschaft zur Orientierung dienen. Gemäß dieser Konzeption bestimmen Topoi, was in einem kulturellen Teilbereich inhaltlich relevant ist. 3 Sie bündeln die Erfahrungen von Mitgliedern sozialer Kreise. 4 Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse eines Forschungsprojekts 5 präsentiert, das Dres den-Topoi untersuchte, wiederkehrende Themen also, die in Dresden-Beschreibungen typi scherweise in Erscheinung treten. Topoi werden in der Untersuchung als thematische Kristalli sationen der Stadtkultur aufgefaßt. Sie bilden sich innerhalb von stadtbezogenen Diskursen heraus und bieten dem Bürger Wirklichkeitsdeutungen ihrer Stadt an. Lokalmedien und öffent liche Veranstaltungen sind dabei Austragungsorte der stadtbezogenen Diskurse und haben für die Herausentwicklung von Topoi eine große Bedeutung. Sie müssen als Agenturen der kulturellen Wissensproduktion verstanden werden. Ausgangspunkt der Studie ist also die Annahme, daß sich eine Stadtkultur historisch im Rahmen der öffentlichen Lokalkommunikation herausentwickelt und in Form von Topoi thematisch kristallisiert. Demzufolge standen in der Untersuchung die folgenden Fragen im Mittelpunkt: Wie wird Dresden in Lokalmedien und öffentlichen Veranstaltungen dargestellt, und wie haben sich die Darstellungen im Laufe der Geschichte verändert? Daneben war es eine Frage, wie Stadtbürger ihre Stadt beschreiben und in welchem Bezug sie sich zur Stadt sehen. Hierbei handelt es sich um eine Frage nach der städtischen Identität von Dresdnern. Ein besonderes Augenmerk wurde dar auf gerichtet, inwiefern sich die städtische Identität aus Dresden-Topoi speist. Das Datenmaterial der Untersuchung umfaßt Werke der Dresden-Literatur (von 1607 bis 2000), Ausgaben der Dresdner Lokalpresse (von 1749 bis 2000), Dresdner Stadtvideos (aus den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts) sowie Tonaufzeichnungen von verschiedenen öffentlichen Ver anstaltungen (von 1998 bis 2001). Bei den öffentlichen Veranstaltungen handelte es sich um Füh rungen, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen mit Dresden-Bezug. Außerdem sind 125 eth-