29 Harald Marx .. den guten Geschmack einzuführen.“ Persönlichkeiten und Richtungen der Dresdner Malerei im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts Versucht man, die künstlerischen Tendenzen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in Dresden zu überblicken, dann wird bald deutlich, daß es mehr als eine Richtung gab, daß nebeneinander unterschiedliche Standpunkte vorhanden waren und dementsprechend nicht nur eine Entwick lungslinie zu verfolgen ist. Natürlich kann manches einzelne immer wieder allgemeineren Begrif fen zugeordnet und das Bild der Zeit damit vereinfacht und geklärt werden, aber Eklektizismus und Realismus, Zopfstil und Empfindsamkeit, Klassizismus und neues Landschaftsempfinden und selbst noch spätbarocke dekorative Monumentalmalerei mögen als solche Richtungen genannt sein, die innerhalb eines Zeitalters, das insgesamt Aufklärung und Verbürgerlichung 1 als beherrschende Tendenzen erkennen läßt, die künstlerische Produktion anteilig bestimmen. Neben oder sogar vor den Tendenzen sind es jedoch Personen, Künstler mit unterschiedlichen Temperamenten und Begabungen, denen Aufmerksamkeit geschenkt werden muß, denn nur in persönlicher Brechung, in den Werken, werden die Tendenzen für uns sichtbar. Maler wie Chri stian Wilhelm Ernst Dietrich 2 , Bernardo Bellotto und Charles Hutin waren schon im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts in Dresden tätig, paßten sich neuen Bedingungen an und verkörpern gleichzeitig die Verbindung zur Epoche vor dem Siebenjährigen Krieg, während andere neu nach Dresden kamen oder erst in der neuen Zeit reiften und wirksam wurden, wie Graff und Zingg, Schenau und Klengel, Casanova und Schmidt. Wieder andere Künstler kamen nach Dresden, um Aufräge des Hofes zu erfüllen, ohne bleibend hier Fuß zu fassen (oder hier bleiben zu wollen), und vertraten noch ganz die Epoche des Spätbarocks: Auf dem Gebiet der dekorativen Monu mentalmalerei entstanden in der Katholischen Hofkirche Werke von Maulbertsch und Franz Karl Palcko, die noch der Zeit Brühls und Augusts III. verhaftet scheinen - wie überhaupt die dekora tive Monumentalmalerei eine eigene Betrachtung erfordern würde. 3 Beschränkt man sich auf das Staffeleibild, dem ja das Interesse der Zeitgenossen vorrangig ge hörte, und fragt man nach den Malern von überregionaler, ja überragender Bedeutung, dann muß zu allererst von Anton Graff gesprochen werden; wir spüren: hinter jedem seiner Porträts steht ein Mensch mit seinem Schicksal. Wir lernen in seinen Bildnissen die Epoche kennen - dadurch, daß wir Menschen kennenlernen, die Träger dieser Epoche waren, auf geistigem und künstleri schem, auf ökonomischem und bisweilen auf politischem Gebiet. Schon um die Jahrhundertmitte hatten in Dresden Künstler wie Anton Raphael Mengs 4 und Theoretiker wie Johann Joachim Winckelmann den klassizistischen Rückgriff auf die Antike und auf die Hochrenaissance teils auf schöpferische Weise realisiert, teils verlangt und neben spät barock geschulten Malern wie Stefano Torelli 5 und solchen, die sich eher vermittelnd neuen Ten denzen anpaßten, wie Rotari und Bacciarelli, spätere Entwicklungen angeregt und vorbereitet. So läßt sich für vieles, was im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts künstlerisch zum Tragen kam,