zu fahren, so besteht ihre erste Reisevorbereitnng Larin, alle nur irgend ent behrlichen Mäntel, Hüte, Kleider und Schuhe an Bekannte zu verkaufen. Denn in Deutschland kann sie sich neue Sachen für den halben oder viertel Preis wieder kaufen. Man geniert sich hier Gott sei Dank auch gar nicht, so erstandene Kleidungsstücke zu tragen, weil Neues zu kaufen beinahe uner schwinglich ist. Natürlich gibt es hier auch einen deutschen Club. Ich selbst war allerdings erst ein einziges Mal dort zu einem Fest, und da hat es mir gar nicht be sonders gefallen. Der Ton ist sür meinen Geschmack etwas reichlich burschikos, und es wird unglaublich viel getrunken. Die Herrschaften, die 1000 Bob*) im Monat verdienen sitzen zusammen. Die mit nur 500 Bob Monatsgehalt ebenfalls? und der Stumpfsinn treibt die üppigsten Bluten (siehe deutsche Kleinstadt!). Da lobe ich mir vielmehr die Hausgeselligkeit. In La Paz gibt es eine Unmenge Junggesellen, weil die deutschen Mädchen ein rarer Artikel sind, der wohl die Einfuhr lohnte (z. Z. gibt es in der ganzen Kolonie von etwa 300 Deutschen nur zwei unverheiratete Damen). Die jungen Herren sind wirklich froh und dankbar, wenn sie in die Familien eingeladen werden. Auch mein Mann bringt öfters Freunde zum Essen mit. Natürlich werden da nicht die geringsten Umstände gemacht. Es gibt eben, was gerade da ist. Aber den Junggesellen schmeckt es immer ganz ausgezeichnet, weil sie ja sonst selten deutsche Küche vorgesetzt bekommen. — Manchmal tun sich einige gute Bekannte zusammen und verabreden für einen bestimmten Tag einen „Malon" (Ueberfall) auf eine befreundete Familie. Eines schönen Abends, als wein Mann schon halb ansgezogen war und ich gerade in die Badewanne steigen wollte, läutete es an der Gartentür wie verrückt. Die Hunde kläfsten wie toll. Schließlich warf wein Mann brummend den Bademantel über, um nach zusehen, was denn eigentlich los sei. Ein vielstimmiges Geschrei empfing ihn draußen, und er mußte sich wohl oder übel entschließen, die Gesellschaft einzu lassen. Es waren drei Damen und sieben Herren unsrer Bekanntschaft. In fliegender Eile zog ich mich wieder an und begrüßte ebenfalls die einiger maßen unerwünschten Gäste, in Gedanken voller Entsetzen meine geringen Vorräte überzählend. Aber die Sorge war umsonst? denn sie hatten alles selbst mitgebracht: Wein, Bier, Likör, Zigaretten und Kuchen, belegte Bröt chen, ja sogar Grammophonplatten mit den neuesten Schlagern. Das wurde ein äußerst fideler Abend mit Tanz, Flirt und Unterhaltung. Und als man sich bei uns ausgetobt hatte, da zogen wir alle noch zu einem anderen Be kannten, der buchstäblich aus dem Bett geholt wurde (es war nämlich inzwi schen 3 Uhr morgens geworden!). Da ging es dann weiter, bis alle Reste vertilgt und die ganze Gesellschaft erledigt war. Mein Mann hatte Geburtstag und aus diesem Anlaß vier Freunde zum Abendessen eingeladen. Als er halb 8 Uhr aus dem Geschäft nach Hause kam, brachte er drei davon mit. „Herr Schober wird wohl gleich nachkommen", meinte er. Wir warteten also und besahen uns unterdessen den Gabentisch. Dann spielten wir ein paar neue Platten, die mein Mann geschenkt bekommen hatte. Herr Schober kam immer noch nicht, obwohl er sonst einer der Pünkt lichsten war. Um 8 Uhr erschien die Köksch und fragte vorwurfsvoll: „Sen- nora, was soll ich denn nun mit dem Essen machen? Der Braten ist schon ganz zusammengeschmort!" — „Na, vielleicht hat Schober irgend eine Abhal tung, essen wir schon!" — antwortete mein Mann. Wir setzten uns also zu Tisch, aber alle mit einem merkwürdigen Unbehagen. Als wir schon bei -er Nachspeise angelangt waren, hörte ich vor -er Tür eine Männerstimme und eilte hinaus. Es war tatsächlich Herr Schober, ein netter Hamburger Junge. Aber wie sah er aus! Das Gesicht leichenblaß, -ie Haare vollkommen zer- *) Richtig Peso Boliviano. 1 Bob — 100 Centavos — 1.63 Gol-mark.