48 Wolfram Steude Das Repertoire des Dresdner Kreuzchors von den Anfängen bis ins 17. Jahrhundert Die Frage nach dem Repertoire des Kreuzchors vom Mittelalter an bis ins 17. Jahrhun dert wurde bislang in dezidierter Weise noch nicht gestellt. Erschöpfende Antwort kann deshalb von diesen Ausführungen nicht erwartet werden. In ihnen wird lediglich der Ver such gemacht, anhand der wenigen Fixpunkte, die unsere Repertoirekenntnis der Frühzeit des Kreuzchors aufweist, zu verdeutlichen, was wir nicht wissen. Der erste Schritt jegli cher weiterführender Forschung ist ja die Bestandsaufnahme dessen, was uns bekannt ist und wo Defizite liegen. Die Gesamt-Musikgeschichte Dresdens bedarf noch immer einer ähnlich gründlichen und detaillierten Darstellung, wie sie diejenige Leipzigs vor Jahrzehnten durch Rudolf Wust mann und Arnold Schering gefunden hat. 11 Die Gründe dafür, daß eine solche »Musikge schichte« unserer Stadt noch immer ein ebenso beschämendes wie schmerzliches Desiderat ist, sind sicherlich u. a. in der Tatsache zu suchen, daß der große Zeitraum zwischen Dres dens Stadtwerdung am Ausgang des 12. Jahrhunderts 2 ’ und der Mitte des 16. Jahrhun derts bislang nur punktuell, aber in keiner Weise systematisch erforscht worden ist. Eine derart riesige Lücke am Beginn unserer städtischen Musikgeschichte aber schreckt mehr ab als daß sie fasziniert. Weitgehend fehlende archivalische und andere Nachrichten - was an Quellen tatsächlich fehlt und was nur noch nicht befragt worden ist, sei als grundlegendes Problem hier nur erwähnt - haben bei uns Nachgeborenen den Eindruck entstehen lassen, in den ersten Jahrhunderten Dresdens habe sich musikalisch nichts Bemerkenswertes in der Stadt abge spielt. Jeder in der Quellenforschung arbeitende Historiker aber weiß, daß man derartigen Ein drücken gegenüber, die unsere Denk- und Forschungsrichtung mehr bestimmen als wir meinen, mit äußerster Skepsis begegnen muß, ist es doch keineswegs sicher, daß an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit sich nicht Erwähnens- und Bedenkenswertes er eignet hat, nur weil die Historiker bisher dort nichts entdeckten. Den schlagenden Gegen beweis hat vor wenigen Jahren Matthias Herrmann mit seiner Dissertation über die frühe Hofmusik Dresdens im 15. Jahrhundert angetreten, in der der Nachweis einer Dresdner Hofkapelle vor 1485 erbracht wird, von der bis dahin absolut gar nichts bekannt war. ’