Günter Jäckel Literatur der Aufklärung in Dresden um 1750 Auch ln der zweiten Hälfte des 18. Oahrhunderts war die sächsische Residenz kein Zentrum der Aufklärung. Anders als Leipzig, wo Oohann Christoph Gott sched Reformen von Drama und Bühne, Poesie und Gournalismus anstrebte, an ders als das patrizische Hamburg, das eidgenössische Zürich und das Berlin Friedrichs II., bot die leuchtende Kunststadt des augusteischen Barock der Sprachkunst nur kärglichen Nährboden: zu Füßen der Heiligengestalten, die Turm und Schiffe der neuen Hofkirche säumten; unter der eifernden Wachsam keit der lutherischen Orthodoxie und der geringen Anteilnahme eines weit gehend vom Hofe abhängigen Bürgertums. - Zugleich freilich entstand hier aus ergriffener Anschauung der Antiken Oohann Ooachim Winckelmanns Schrift über die Nachahmung griechischer Werke, 1 die eine der theoretischen Grundlagen für die klassische deutsche Literatur werden sollte. Der alte Gegensatz zwi schen Dresdner Hof und Leipziger Universität - zu Anfang des Dahrhunderts erstmals zugespitzt im Streit um die Pasquillen des Studenten Christian 2 Reuter -, fand auf vielfältige Weise seine Fortsetzung in den Konfronta tionen zwischen Gottsched und einer Dresdner Literaturgruppe um den Hofpoeten und Zeremonienmeister Johann Ulrich (von) König, dem ehemaligen Sekretär des Grafen Brühl, Christian Rost und seinem Nachfolger Christian Ludwig Liscow. Friederike Caroline Neuber, die seit 1750 hier verzweifelt nach künstle rischer Betätigung suchte und seit 1741 gleichfalls Gegnerin Gottscheds ge worden war, fand trotz einer gewissen Protektion durch Brühl in diesen Krei sen weder Unterstützung noch Förderung. 3 Christoph Rost, nicht der bedeutend ste Dichter jener Zeit, wohl aber ein markanter Vertreter des literarischen Rokoko in Dresden 4 , griff ihr Gottsched verspottendes Vorspiel "Der aller kostbarste Schatz" (1741) auf und schuf daraus in Form eines komischen Alexandrinerepos in 5 Gesängen und Anmerkungen die bedeutendste antigott- schedianische Satire überhaupt. 5 Es hieße freilich, die sehr komplizierten sächsischen Literaturverhältnisse der vierziger und fünfziger Jahre vereinfachen, wollte man Dresden undiffe renziert als höfische Gegenmacht zur Leipziger Aufklärung verstehen. Lineare Oppostionsbeziehungen zwischen italienischer Oper und "regelmäßiger" Tragödie, affirmativer Hofpoesie und satirisch eingefärbter Skepsis, Zeremonialwis- senschaft und "Critischer Dichtkunst", aristokratischer Leichtlebigkeit 5 und "Moralischer Wochenschrift" schufen Bewertungsraster, die weder Gott scheds Hofdichtungen noch Königs Bemühungen um Boileau erfaßten. Die seit