77 O Irina Modrow Das Verhältnis zwischen sächsischer Landesregierung und Herrnhuter Brüdergemeinde von 1727 bis 1749 "In Herrnhut soll zu ewigen Zeiten nicht vergessen werden, daß es auf den lebendigen Gott erbaut und ein Werk seiner allmächtigen Hand, auch eigent lich kein neuer Ort, sondern nur eine für Brüder und um der Brüder willen errichtete Anstalt sei."^ Mit diesen Worten beginnt die Satzung des "Brüder lichen Vereins", zu dem sich die Herrnhuter Einwohner im Mai 1727 verbanden. Dies war für die damaligen Verhältnisse in der Oberlausitz und in Sachsen etwas Neues und stellte sowohl die Herrnhuter mit ihrem Beschützer, dem Grafen Zinzendorf, als auch die sächsische Landesregierung vor nicht geringe Probleme, Neu war, daß sich hier aus religiösen Gründen eine Sondergemein schaft bildete, die weder rechtlich noch gesellschaftlich mit den gültigen und gewohnten Normen übereinstimmte. Zur Lösung des Problems mußte der ab solutistische Machtapparat einen Lernprozeß durchlaufen, in dem er seine Haltung zu dieser Erscheinung klärte; aber auch die neue Gemeinschaft ihrer seits hatte es zu lernen, mit dem absolutistischen Staat umzugehen, sich ein- und anzupassen und gleichzeitig ihre eigene Identität zu wahren; Ein Beispiel von allgemeinem Interesse für die Wechselbeziehung zwischen Staat, Gesell schaft und Kirche unter den Bedingungen des kleinstaatlichen Absolutismus. Problematisch war schon, wie sich bald zeigte, daß etwa die Hälfte der 300 "Brüder und Schwestern" aus Mähren stammte. Die Suche nach einem Platz zur freien Ausübung ihres evangelischen Glaubensbekenntnisses hatte sie Pfingsten 1722 in das oberlausitzer Berthelsdorf geführt, dessen Besitzer Nikolaus Ludwig von Zinzendorf war. Mit ihrer Aufnahme auf seinem Gut unterschied sich der Graf zunächst noch nicht von der Praxis seiner Standesgenossen. Sahen diese jedoch vordergründiger die wirtschaftliche Seite, so standen bei Zinzendorf zweifellos religiöse Motive an erster Stelle. Seine Besitztümer sollten ein "Winkelchen" sein, wo er "von Zeit zu Zeit Christum den Seelen" 2 zuführen wollte. Daher gestattete er den Glaubensflüchtlingen den Aufbau einer neuen Siedlung an der Handelsstraße von Löbau nach Zittau. 3 Bald er hielt der Ort die Bezeichnung "Herrnhut"; unter der "Hut des Herrn" wollten die Einwohner stehen und leben. In den folgenden Jahren verstärkte sich der Emigrantenstrom weiter, und 1724 trafen auch die ersten Nachfahren der böh misch-mährischen Brüderkirche in Herrnhut ein. Sie siedelten sich als Pächter und Freigärtner an und übten zumeist ein Handwerk aus. 4 Bereits 1723 stellte Zinzendorf ihnen einen Schutzbrief aus, in dem u. a. die Aufhebung der Erb untertänigkeit zugesichert wurde. 3 Doch bis zu einer "Gemeinschaft gleichge-