1*11 Keine Zwangserziehung mehr! Die moderne Pädagogik setzt sich zum Ziel, das Kind psychologisch zu erziehen und durch liebevolles Eingehen auf seine Eigenarten zum Sozialwesen zu entwickeln einzugliedern, gehören in dies Gebiet. Und alle denkbaren Möglichkeiten dissozial, antisozial, verbrecherisch zu handeln. Hier sind wir bei der Frage angelangt, welche die Kriminalisten seit Jahr zehnten interessiert: Ist Verbrechen Schicksal oder Schuld? Hat man aus den Forschungen von Steinach und Freud die letzten Konsequenzen gezogen, so wird man bei einem großen Bruchteil der Fälle die Schuld ausschließen müssen. Die kriminelle Handlung wurde diktiert durch eine übermächtige, weil Jahr zehnte lang verdrängte Auflehnung gegen den Zwang, gegen das Verbot natür licher Triebe. Deren unvernünftige Ablehnung und Einengung durch Eltern und Erzieher und späterhin erfolgende Verdammnis durch die Vertreter der theologischen Weltanschauung führt zu den schwersten „Verdrängungen“. Werden derlei Konflikte nicht natürlich „verarbeitet“, sondern in die Rumpel kammer des Unbewußten abgestoßen, so können sie sich später furchtbar rächen. Sie führen zur Entstehung von seelischen Funktionsstörungen, die unter den Sammelbegriff der Neurosen zusammengefaßt werden. Fast jeder Neurotiker be deutet nicht nur für sich, sondern für seine nächste und weitere Umwelt eine Gefahr. Was der Neurotiker auf dem Herrscherthron für Massenelend verur sachen kann, lehrt die Weltgeschichte. Tobt sich nun der ganze verhaltene Haß, der in den ersten Kinderjahren gegen den „Gesetzgeber“, den Erzieher, den Vater gesammelt wurde, nur darin aus, daß der Neurotiker seine eigene kleine Umwelt, die Familie, belästigt oder gar den Spieß umdreht und dem Masochismus der Selbstquälerei verfällt, so kann man keineswegs von einer Bedrohung der Sozietät sprechen. Wesentlich gefähr licher hegt es beim seelisch verfahrenen Menschen, der seinen vergrabenen Haß tatsächlich im Vergehen, im Verbrechen äußern muß. Die Möglichkeiten, die Ten denzen zum Verbrechen aber wohnen latent wohl in allen Menschen. Diese Erkenntnisse sind unumstößlich, sie haben bei einer Fülle von Be obachtungen eine absolute Gesetzmäßigkeit aufgewiesen, und man muß mit dem 535