Ästhetik und Werbung Max Bense Professor Dr. Max Bense, Ordinarius für Philo sophie und Wissenschaftstheorie an der Techni schen Hochschule in Stuttgart, befaßt sich mit ästhetischen Problemen auf mathematischerGrund- lage. Er versucht, die Grenzen zwischen Natur- und Geisteswissenschaften aufzuheben. Der Band „Aesthetica", im Agis-Verlag Baden- Baden 1965 erschienen, enthält alle bisherigen Schriften des Autors über Ästhetik, neubearbeitet und ergänzt. Das Kapitel „Ästhetik und Werbung", das wir mit Erlaubnis des Verlages abdrucken, wurde von Max Bense neu hinzugefügt. Das immer größer werdende gesellschaftliche Ge wicht der Wissenschaft und ihrer Begriffsbildungen zwingen uns zu einer Beschäftigung mit der Infor mationstheorie und ihren Systemen auf den ver schiedensten Gebieten, darunter ist die Werbung von besonderer Aktualität und Bedeutung. Die Ausführungen des westdeutschen Wissenschaft lers Bense sollen anregen, das Gebotene aus marxistischer Sicht zu durchdenken und zu über prüfen. Die Redaktion Es gibt noch keine spezifische Theorie der Werbung als solche, die sie selbst also als ein für sich zu nehmendes Objekt einer Forschung betrachtet. Es gibt lediglich eine mehr oder weniger entwickelte Psychologie der Werbung, die den möglichen Käufer, aber auch den möglichen Verkäufer im Zusammenhang mit gewissen individuellen und sozialen Fakten zu klassifizieren sucht, um aus dieser Klassi fikation günstige Prognosen für den Erfolg der Werbung und der Ware abzuleiten. Doch der Werbefachmann muß nicht nur die Psychologie der Käufer oder Verkäufer und die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die er bearbeitet, kennen, sondern auch das Objekt seiner Gestaltung, die Werbung als solche, die, wenn auch nicht unmittelbar eine Ware, sondern eine Art Meta-Ware ist, sofern sie nämlich nur dann sinnvoll ist, wenn sie sich nicht selbst, sondern etwas anderes an bietet, also nicht Ware ist, sondern über Ware spricht. Nun ist jede Werbung, als erforschbares Ob jekt einer Formulierung oder Gestaltung be trachtet, zweifellos ein System von Zeichen verbaler oder visueller Art, und solche Systeme von Zeichen stellen durch ihr Arrangement eine Botschaft, eine Information dar, die Richtung und Grad der Werbung bestimmt. Systeme von Zeichen, Zeichengestalten oder Zeichenreihen, werden heute theoretisch in der Semiotik, in der Zeichentheorie behan delt; Informationen, Nachrichten hingegen sind Gegenstand der sogenannten Informa tionstheorie und beide, Semiotik und Infor mationstheorie, gehören dem verzweigten Gebiet der allgemeinen Kommunikationsfor schung an, das den Soziologen ebenso inter essiert wie den Nachrichtentechniker, den Psychologen und Pädagogen ebenso wie den Ästhetiker. Es gibt also durchaus schon voraussetzbare Grundlagenforschung für Werbetheorie: Se miotik und Informationstheorie, und sofern deren Anwendung auf Werbung als solche, auf ihre Formulierung bzw. ihre Gestaltung, diese zu einem determinierbaren bzw. bewußt herstellbaren Gebilde machen, fügen sie Werbetheorie in den Bereich der gesamten Kommunikationsforschung ein. 9