RATSCHLÄGE EINES WELTMANNES Von D. B. W YNDHAM LE WIS Tn einem schönen, antiken Bett lag, durch Kissen gestützt, ein alter Lebemann. lEr hatte markante Züge und dichtes, weißes Haar, und der Ausdruck seiner Augen war ironisch und erfahren. Er fühlte sein Ende kommen und beobachtete leicht amüsiert die Besorgnisse und die Anteilnahme seiner Umgebung, die ihm seit vielen Jahren recht unsympathisch gewesen war. Leicht verschleierte Er wartung schien das Zimmer zu erfüllen. Die untergehende Sonne legte Streifen staubigen Goldes auf den schimmernden, polierten, eichnen Fußboden. Neben seinem Bett befand sich auf einem kleinen Tisch .eine Vase mit Blumen, eine Wachskerze in silbernem Leuchter und ein kleines, von einem Aristokraten des 17. Jahrhundert verfaßtes Buch, in Kalbsleder gebunden. Die Blätter des Buches waren vergilbt und abgenützt. Man bat den alten Mann um eine letzte Botschaft, und er sagte mit schwacher, aber doch klarer Stimme: „Bestellt niemals legierte Suppe. Lest keine Bücher, die euch von reichen Frauen empfohlen werden. Nennt die Jagdmeute nicht Hunde. Tragt keine Gamaschen zu braunen Schuhen. Wohnt nicht in Surrey. Trinkt niemals Champagner, wenn ihr Wein bekommen könnt. Haltet euch kein Kleingeld, wenn ihr mit einem reichen Mann Autodroschke fahrt. Vergeßt nicht, daß die Klasse Menschen, die im modernen England noch Perücken trägt, wie Schauspieler, Richter, reiche Frauen und Clowns, im Privatleben nicht amüsant ist. Vergeßt auch nicht, daß alle Literaten, selbst wenn ihr Geschlecht deutlich zu erkennen ist, tödlich langweilig sind. Seid niemals unhöflich zu einem Geld- leiher, er könnte in der nächsten Woche zum Peer gemacht werden. Gebt keine Erklärungen ab. Macht keine Witze mit Bankiers, Juristen, Einfältigen und Narren Tragt keinen steifen Filzhut. Verliert niemals eure Haltung, noch euern Hausschlussei oder euer Gedächtnis. Bewahrt die Fähigkeit des Vergessens, und seht die Dinge in ihren wahren Verhältnissen. Kauft niemals Gründer-Aktien.“ Der alte Zyniker machte eine Pause und betrachtete die untergehende Sonne „avec un fin sounr“, wie die Franzosen sagen. Dann fuhr er fort: „Gebt den Dienstboten der Reichen nicht zu hohe Trinkgelder und seid nicht frivol, wenn ein Schotte anwesend ist. Erwähnt keine Tatsachen vor Mitgliedern der eng lischen Presse. Sprecht nicht von Bestechung vor einem Politiker, nicht von i-i FT V ° r emem ^ dei Gesellschaft beliebten Bischof, nicht über den Alt- -F T and(d der Ge ß enwart eines Industriekapitäns, und sprecht niemals über Krieg mit einem Offizier, der mehr als eine Reihe Orden hat. Seid nur erstaunt über euer eigenes Erstaunen. Vergeßt nicht, daß es im allgemeinen weniger gefährlich ist, die Mitmenschen zu schädigen, als ihnen Gutes zu tun. Erinnert euch stets, daß Engländer nur an die Tatsachen glauben, die ihnen auf gutem dicken und teuern Papier in gutem Druck vorgeführt werden. Trinkt mema s ocktails. Vergeßt nicht, daß man nie so glücklich oder unglücklich ist, wie man glaubt. Beleidigt die medizinische Fakultät nicht, indem ihr sterbt, ohne einen j rzt konsultiert zu haben. Sammelt keine Zeitungsausschnitte. Wider- sprecht reichen Frauen nicht. Eßt niemals mit Musikbegleitung.“ 459