[aus Anlass seiner fünfzigjährigen Tätigkeit als Mitarbeiter und Herausgeber des Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart]
ZWEI STUDIEN ZUR BAIRISCHEN UND SCHWÄBISCHEN MALEREI DES FRÜHEN lfi. JAHRHUNDERTS I Ritter Christoph, ein Bildnis von Hans Wertinger Von Karl Feuchtmayr, MurnaujOberbayern Die Sammlung Schloß Rohonez in Lugano-Castagnola bewahrt ein von Hans Wertinger gemaltes Bildnis in ganzer Figur (Abb. I) 1 ). Der untersetzte, korpulente Dargestellte trägt ein weißgraues Wams, das gleich den bauschigen Ärmeln geschlitzt und rot unter legt ist, zinnoberrote, oben geschützte und weißlichgelb unterlegte Beinlinge, braune, mit dunklem Pelz verbrämte Schaube und schwarze Kappe mit rötlichbraunem Pelz besatz. Er steht in Dreiviertelwendung, das linke, entlastete Bein auf klassische W eise seitwärts abgesetzt, die linke Hand am Griff des Schwertes, höchst repräsentativ vor einer Steinbrüstung, über die hinweg sich der Blick auf eine ideale Alpenlandsehaft unter einem zartblauen, mit duftigem, weißlichem Gewölk bedeckten Himmel öffnet. Kein Wunder, wenn man ihn zunächst als Mann von Adel, etwa als einen Höfling an einer der bairischen Residenzen, anzusprechen geneigt ist. Friedrich Winkler bezeich- nete das Bildnis in seinem schönen Buch „Altdeutsche Tafelmalerei“ 2 ) einfach als das eines „Mannes“. Aber Wertinger hat mit dem Beschauer ein neckisches Spiel getrieben. Auf der Rückseite der Tafel befindet sich ein Zettel mit einem Poem, das ursprünglich wohl vom Maler selbst auf einen (später abgeschnittenen) Schriftstreifen unter der Figur geschrieben war 3 ): Ritter Christof bin ich genannt Des Gemuets hätt ich wohl Ritterstand Doch grosse [rl] leut mans Leib Schicklichkeit Sieht man hier Conterfait bereit Wär ich ein wicht, so möcht nicht seyn Mein läng an disem Täfelein 1515 Also eine bewußte Yexierung: Wir haben einen Zwerg vor uns, und zwar in Lebens größe. Er ist 104 cm hoch und entspricht damit dem — bei 100 bis 105 cm beginnenden —■ 115