[aus Anlass seiner fünfzigjährigen Tätigkeit als Mitarbeiter und Herausgeber des Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart]
0 Religiöse Bildkunst der Gegenwart Zu den Emporengemälden von Conrad Felixmüller in der Kirche zu Tautenhain Von Helmut Scherf, Altenburg Eine wesentliche Arbeit in dem fast 1400 Gemälde umfassenden Werk von Conrad Felix müller hat im Allgemeinen Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts (Bd. 2) noch keine Aufnahme gefunden. Es handelt sich um die 1952 entstandenen Emporengemälde in der kleinen Kirche zu Tautenhain, einem dem Künstler zur Heimat gewordenen Dorf im Kreis Geithain (Bez. Leipzig), sechs große Gemälde, die nicht nur von Bedeutung für das CEuvre Felixmüllers sind, sondern Beachtung im religiösen Kunstschaffen der Gegenwart schlechthin verdienen. Religiosität ist seit Urzeiten eine der Haupttriebkräfte künstlerischen Gestaltens. Sie ist eine der „Welt-Anschauungen“ und damit — im weitesten Sinne — Inspirator, mehr noch „Stoff“ (Inhalt) jeglicher Kunstschöpfung im Sinne schon der alten Völker wie auch der Forderung moderner Kunstbegriffe. Wenn Kunst Selbstbekenntnis, Offen barung der Position zur Welt, zur Umwelt, auch „dargestelltes Gefühl“ ') bedeutet, dann ist es evident, wenn sie — ab ovo — zu einem bedeutenden Teil von religiösem Gedanken gut gespeist wird. Seit jeher erlebt der Mensch in seiner endlichen Kreatürlichkeit die unbegreifliche, beängstigende, ja niederschmetternde Unendlichkeit des Kosmos, seine Wunder, und aus diesem erschütternden Erlebnis resultieren die großartigsten Leistun gen menschlichen Kunstschaffens. Daß im Rahmen der religiösen Kunst der jeweils offi zielle kirchliche Glaube mit dem ihm eigenen religiösen Gehalt, den ihm eigenen Legen den seiner heiligen Geschichte vornehmlich bildhafte Gestaltung erfährt, liegt offen sichtlich. Die Art und W eise dieser Gestaltung im Laufe der Jahrhunderte erkennen wir wohl als sehr unterschiedlich, grundsätzlich aber darf festgestellt werden, daß sich jedes Volk, jede Zeit im allgemeinen um die ihr eigentümliche, historisch zukommende bild hafte Glaubensformel bemüht. So hat auch das Heilsgeschehen der christlichen Reli gion im Wandel der beiden Jahrtausende ein immer wieder der jeweiligen Zeit, ihrem Ideengut, ihrem äußerlichen Gesicht adäquates sichtbares Gepräge erhalten. 263