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— 196 — spalt aus dem Wege zu gehen, ventilierte man im Königreich Sachsen und in den Rheinlanden die Begründung von weiteren Verbänden. Trotzdem oder vielmehr gerade deswegen machte sich das Be dürfnis nach gegenseitiger Annäherung immer wieder fühlbar. Private Verhandlungen zwischen Magdeburg und Hannover wurden gepflogen, denen sich offizielle anschlossen und das Endresultat war die Beschickung eines gemeinsamen Kongresses durch bevollmächtigte Delegierte seitens des D. u. D.-Oe. V.-B. und des N. V.-B. Am 29. Juni 1884 fand dieser Kongress in Meiningen statt, woselbst in eingehendster Weise die Friedenspräliminarien festgesetzt wurden, die am 16. August 1884 in Leipzig zur Gründung des Deut schen Radfahrer-Bundes führten. b) Der Deutsche Radfahrer-Bund, die Allgemeine Radfahrer-Union, der Sächsische Radfahrer-Bund. 1884—1892. Unter denjenigen Bestimmungen, die die Bildung des D. R.-B. zeitigten, mögen folgende angeführt werden, welche das Prinzip und die Organisation des neuen gemeinschaftlichen Verbandes einrahmten. i. Der neue Bund tritt am 17. August 1884 in Thätigkeit. In demselben Moment hören der D. und D.-Oe. V.-B. und der N. V.-B. durch Uebertritt sämtlicher Mit glieder und Uebergabe des beiderseitigen Vereins vermögens in und an den neuen Bund auf, zu be stehen. 2. Der Bund wird in Gauverbände eingeteilt, deren Zweck die förderung des Radfahrsportes ist, namentlich durch Veranstaltung von Wett- und Touren fahrten nebst Pflege des Kunstfahrens. Ferner hat der Bund die Rechte und Interessen seiner Mitglieder wahrzunehmen und sonstige Schritte zur Verbreitung und Verbesserung des Radfahrsportes zu thun. 3. Dem Bunde steht ein Bundesausschuss bei, welcher aus den Vorsitzenden der Gaue zusammenzusetzen ist. Dieser Ausschuss hat den Bundes-Vorstand zu wählen. Der Leipziger Kongress vom 16-/17. August 1884 erhob die vorstehenden Bestimmungen zum Gesetz und die Vereinigung beider Verbände war erreicht. Der II. Bundestag des D. R.-B. tagte im August 1885 in Nürnberg. Für die politische Entwicklung der deutschen Radfahrer-Vereinigungen treten einzelne Beschlüsse von dort scharf hervor, welche mehr oder minder die Veranlassung wurden, dass gegen Ende des Jahres 1884 eine abermalige Spaltung eintrat. Zuvörderst wurde als Bundesorgan das Berliner Blatt «Velociped» gewählt, welches als solches aber den Titel «Der Radfahrer» erhielt. Im ferneren wurde bestimmt, dass die Einzelfahrer (Nichtmitglieder von Bundesvereinen) höhere Beiträge zahlen mussten, wie die Angehörigen von Bundesvereinen. Diese Um stände mochten geeignet gewesen sein, in süddeutschen Kreisen gewisse Verstimmungen hervorzurufen. Diese fanden ihren besonderen Ausdruck in einer Versamm lung von Bundesmitgliedern, welche am 15. November 1885 in Nürnberg zusammentrat und für die Bildung eines «Allgemeinen Deutschen Radfahrer-Vereins» plai- dierte. In dem für die Interessen des neuen Vereines wirkenden und neu entstandenen Sportblatte «Der Deutsche Radfahrer»*) war bereits vor dieser Ver sammlung eine entsprechende Erklärung dahingehend *) Im weiteren Verlauf dieser Abhandlung wird von der speciellen Bezugnahme auf die amtlichen Organe der Verbände Abstand genommen, da im Kapitel XII darüber bereits ein gehend gesprochen ist. erschienen, die Einzelfahrer des D. R.-B. innerhalb Deutschlands und Deutsch-Oesterreichs auf anderer Grundlage zusammenzuschliessen. Vorläufig sah aber die am 15. November 1885 in Nürnberg tagende Versammlung davon ab, sich sofort neu zu konstituieren und stellte bei der Vorstandschaft des D. R.-B. den Antrag, eine ausserordentliche Haupt versammlung einzuberufen, um die bemängelten Be schlüsse vom Nürnberger Bundestag einer Revision zu unterziehen. Die Bundesvorstandschaft glaubte aber die endgültige Lösung der in Frage kommenden Punkte erst dem nächsten Bundestag unterbreiten zu brauchen. Die vom 15. November 1885 auf den 31. Januar 1886 vertagte Versammlung konstituierte sich nach diesem Ent scheid am letzteren Tage wiederum und schritt nunmehr definitiv zur Gründung eines neuen Bundes, welchem der Name «Allgemeine Radfahrer-Union» beigelegt wurde. Da auch Meldungen für den neuen Verband aus der Schweiz und Oesterreich eingelaufen waren, wurde das Gebiet der A. R.-U. auf diese Länder aus gedehnt. Als grundlegende Bestimmungen für die A. R.-U. wurden folgende Prinzipien festgelegt: 1. Die A. R.-U. bezweckt die Vereinigung aller Radler deutscher Zunge; 2. der Radsport ist durch ausgiebige Pflege des Tourenfahrens zu fördern; 3. je nach Stand der Kasse sind grössere Touren fahrten zu prämiieren; 4. den Mitgliedern ist unentgeltliche Auskunft über Strassen und Unterkunft und sonstige Verhält nisse zu geben; 5. selbständige Prozesse im Interesse ihrer Mit glieder zu führen u. s. w. Die Organisation wurde speciell den Punkten 2 und 4 angepässt. Für grössere Städte und bestimmte Landbezirke wurden Konsuln ernannt resp. gewählt, welche die Auskunftserteilung, gleichzeitig aber auch die geschäftliche Verwaltung des ihnen unterstehenden Bezirkes übernahmen. Allmählich durch bestimmte Grenzen markiert, erhielten die Lokalbezirke den Namen Konsulate. Diese konglomerierten sich zur gemeinsamen Wirksamkeit in den einzelnen Provinzen, aus welcher Verbindung später die Hauptkonsulate oder Provinzialbezirke hervorgingen, welche als solche schliesslich mehr oder weniger dasselbe wurden, wie die Gauverbände des D. R.-B.