Eine Leipziger Bach-Gedenkstätte 2 9 worbene Bosische Haus (Thomaskirchhof Nr. 16) 36 und wurde hier von sei - nem Sohn und Erben, dem Kammer- und Bergrat Johann Thomas Richter (1728-1773), der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, so daß noch der zeichenfreudige junge Goethe in den Leipziger Jahren 1765-1768 von die sen Kunstschätzen profitieren konnte. 37 Ausstellungsort dürfte der große Festsaal im 2. Stock des Hinterhauses gewesen sein. Erst zur Michaelis messe 1810 wurde die hochbedeutende Sammlung von Gemälden, Zeich nungen, Stichen, Plastiken durch Versteigerung in alle Winde zerstreut. 38 Im Ausgang des 19. Jahrhunderts wurde das Haus noch einmal musealen Aufgaben dienstbar gemacht. In ihm richtete der seit 1879 in Leipzig lebende holländische Violoncellist und Gambist Paul de Wit (1852-1925) im Jahre 1886 sein „Musikhistorisches Museum“ ein, das durch seine wert volle Sammlung historischer Musikinstrumente berühmt wurde. 39 Nach Ankauf dieser Sammlung durch die Berliner Hochschule für Musik in den Jahren 1888 und 1891 40 legte er eine weitere Sammlung an, die 1906 von dem Kölner Kaufmann und Kunstmäzen Wilhelm Heyer (1849-1913) als Grundstock seines „Musikhistorischen Museums“ erworben wurde. Nach Heyers Tode gelangte sie durch Ankauf des sächsischen Staates im Jahre 1926 an die Universität Leipzig und wurde hier zum Kernstück des weltbekannten Instrumentenmuseums. So hat dieses Haus Thomaskirchhof Nr. 16 eine hochinteressante kunst- und musikgeschichtliche Vergangenheit, 41 deren Bezogenheit auf die Bach- sche Familiengeschichte bisher noch nicht beachtet wurde. 42 36 Er hatte es (einschließlich dem Boseschen Garten „vor dem Grimmischen Thore“) für 13000 Taler erworben, wobei Dr. F. H. Graff als Familienbevollmächtigter die Kauf verhandlungen geleitet hatte. 37 Vgl. seine Mitteilung hierüber im 8. Buch von A.us meinem Leben — Dichtung und Wahrheit und seinen Eintrag vom Jahre 1765 im Besucherbuch der Gemälde- und Kunstsamm lung, S. 2 (heute: Universitätsbibliothek Leipzig, Rep. VI 2) n 4°). 38 Sie soll etwa 400 Gemälde, 1000 Zeichnungen und Stiche, zahlreiche Plastiken, Karten u. a. enthalten haben, vgl. die Übersicht in: Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste, Bd. 18, Leipzig 1775. 39 Die vom Hausbesitzer im Jahre 1893 durchgeführten baulichen Veränderungen, durch die im 2. Stock des Vordergebäudes mittels Herausnahme von Zwischenwänden mehrere kleine Räume zu einem saalartigen Großraum umgestaltet wurden, scheinen zugunsten des Instrumentenmuseums vorgenommen worden zu sein. 40 Zu dieser zweiten Sammlung gehörte auch der berühmte ,,Bachflügel“, der im Jahre 1890 über den Besitzerweg Graf Voß — Wilhelm Rust in die Hände von Paul de Wit gelangt war und durch Ph. Spittas Empfehlung für 10000 Mark erworben und der Berliner Staatlichen Instrumentensammlung zugeführt wurde, wo er als beliebtes Mo dell für authentische Cembalorekonstruktionen diente, aber bald einer scharfen Echt heitskritik ausgesetzt war, die durch neuere Forschungen bestätigt wurde. 41 Der Leipziger Stadthistoriker G. Wustmann (a.a.O., S. 273) hat bei der Lokalisierung der Richterschen Gemäldesammlung das Haus Thomaskirchhof Nr. 16 unverständ licherweise mit dessen Nachbarhaus verwechselt und durch die irrige Feststellung „Das [Fortsetzung der Fußnoten 41 u. 42 Seite 30]