Ein unbekanntes Zeugnis Johann Sebaftian Bachs Von Peter Krause (Halle) Bei der Durchsicht der Acta den Cantordienst betr. i6ji-i8ßy des Stadtarchivs Meißen fand sich ein bisher unbekanntes Zeugnis Johann Sebastian Bachs. 1 Das autographe Schriftstück hat folgenden Wortlaut (vgl. auch Faksimile S. 33): Da Vor^eiger dieses Herr Johann Gottlieb | Grahl, S. Th: Studiosus und der Musis | rühmlichst beflißener mich endes benandten | ersuchet, Ihme wegen bezeigter Aufführung | alhier so wohl, als auch erwiesenen Musicali \ sehen Fleißes und derer dahero fließenden | Wißenschafften in Musicis einige Zeilen ! 711 ertheilen; als habe solches hiermit bewerck | stelligen, und nur so viel melden wollen, daß | wegen be rührter Aufführung wohl so leicht | sich niemand finden werde, so nicht mit mir \ einstimig i. e. mit selbiger vollen Körnen | %u frieden sejn dörffte, und dan auch, daß | deßen in Arte Musi ca sich äußerende | capacite von Selbsten das beste attestat \ gu geben vermögend sej. Leipzig - d. | 12. Septembr. 1729. Job. Seb. Bach Hf. S. W. Capell- meister et Direct: Chori Musici Lipsiensis. Folgende Vorgänge bildeten die Veranlassung zur Ausstellung dieses Zeug nisses. Der Stadt- und Domkantor Johann Adam Richter 2 in Meißen war zu Be ginn des Jahres 1728 alters- und krankheitshalber genötigt, sich um einen Gehilfen zu bemühen, der für eine mäßige Entschädigung und bei Zu sicherung der Amtsnachfolge seitens des Rates ihm seine Pflichten als Lehrer und Kantor abnehmen und den größten Teil der Kantoratsein- künfte auf Lebenszeit überlassen würde. Der Rat hatte ihn auf eine vorsich tige Anfrage wissen lassen, wenn Richter „ein tüchtiges Subjectum außforschen könte“, so würde er die Substitution desselben unterstützen. 3 Am 15. April 1 Stadtarchiv Meißen, D //. Das Dokument, ein einseitig beschriebener Bogen, zeigt einen guten Erhaltungszustand. Nur am unteren Rand ist das etwas vergilbte Papier brüchig und mehrfach leicht eingerissen. Blatt a (34,5 x 23 cm) ist als Bl. 59 der Akte gezählt und nur auf der Vorderseite beschrieben, Blatt b befindet sich unfoliiert zwi schen anderen leeren Blättern am Schluß des Bandes. Wasserzeichen: a) heraldische Lilie, b) Monogramm CVD. 2 Johann Adam Richter, getauft am 1.5.1657 in Freiberg, 1683 Kantor an St. Katharinen in Zwickau, 1691 Kantor an St. Marien ebenda, 1696 Kantor in Annaberg, seit dem 26.1. 1700 Stadt- und Domkantor in Meißen, gestorben ebenda am 6.9.1729. Vgl. R. Vollhardt, Geschichte der Cantoren und Organisten von den Städten im Königreich Sachsen, Berlin 1899, S. 368. 3 Stadtarchiv Meißen D //, Bl. 49'. Eingabe Richters vom 15.4.1728.