Noch einmal: Per ßach-Pohal Von Conrad Freyse (Eisenach) Es ist eine aus vielen Diskussionen bekannte Erfahrungstatsache, daß eine allzu scharfe Polemik den Blick für die — um Friedrich S m e n d zu zitieren — „innere Evidenz“ der objektiven Gegebenheiten trüben kann. Leider ist das auch in Smends Entgegnung auf des Verfassers Hypothese zum Bach- Pokal (BJ 1953, S. io8ff.) der Fall, die im Bach-Jb. 1955 (S. io8ff.) erschien. Dies ist um so bedauerlicher, als der Verfasser am Ende seines Beitrages ausdrücklich bemerkt, daß es sich eben nur um eine Hypothese handele, um eine unter vielleicht mehreren möglichen Lösungen des Rätsels, welches uns die Gravierung des Pokals aufgibt. (Vgl. BJ. 1953, S. 117, letzter Ab satz). F. Smend verteidigt die von Friedrich Schnapp 1938 dargebotene Lö sungsmöglichkeit (BJ S. 87ff.) und faßt zu diesem Zwecke die 1933 vom Verfasser geltend gemachten Einwände in vier Punkten zusammen, über sieht dabei aber den Haupteinwand, daß nämlich nach stichhaltiger kunsthistorischer Einschätzung der Pokal 1735 in der Kgl. Fürstl. Glashütte Dresden entstanden ist und auch seinen Schliffdekor dort erhalten hat, wahrscheinlich (ein Jahr später) von Johann Friedrich Meyer. Damit ist ein eindeutiger Hinweis auf Dresden gegeben, der von jedem Kritiker zum mindesten Beachtung verlangt und nicht stillschweigend übergangen werden kann! Es sind aber noch einige andere Punkte zu erwähnen, welche die von Smend verteidigte Lösung Schnapps fraglich machen. Wären wirklich die Brüder Krebs die Spender des Pokals, sprächen also nicht nur zwei Schüler zu ihrem verehrten Lehrer, sondern — in einer für das 18. Jahrhundert zuge gebenermaßen nicht untypischen Allegorie — gleichzeitig „zwei Krebse zu ihrem Bach“ (Smend, S. 110), zu ihrem „Lebenselement“ (ebenda), wie wäre dann die Inschrift auf der Rückseite des Pokals zu deuten? Hier ist auf der Kuppa zu lesen VIVAT und darunter das Monogramm J S B. Mit anderen Worten, es handelt sich um eine „Gesundheit“ auf Johann Se bastian Bach, welche die umseitige Krebs-Allegorie unbeachtet läßt, ja aufhebt. Vorder- und Rückseite des Pokals stehen demnach — wenn man die Krebs-Lösung gelten lassen will — in keiner Beziehung zueinander, was doch immerhin sehr merkwürdig wäre. Auch dieses Faktum wird von Smend verschwiegen. Smend hat zwar mit gewandter Feder aus der Krebs- Idee eine ganze Geschichte zusammengestellt. Er möchte die bekannte Anekdote („er war der beste Krebs in meinem Bache“) historisch aus werten. Aber er übersieht, daß die geschichtlichen Tatsachen zu dürftig sind, um den Pokal als Abschiedsgeschenk nachzuweisen. Schon die Ungleichheit der beiden Krebse ist von wesentlicher Bedeutung. Daß der ältere, Johann Ludwig, zu den Lieblingsschülern Bachs gehörte, ist überliefert. Nach Abgang von der Schule (1735) stellte ihm Bach ein Zeugnis aus, doch blieb er noch zwei Jahre in Leipzig und besuchte die