Bach und der Okulist Taylor 53 Dadurch würde die indirekte Zeitangabe des Nekrologs für die Operatio nen, der Januar 1750, eine Bestätigung finden. Terry zitiert ebenfalls die schon von Füller Maitland angeführte Stelle aus Taylors „History“: „I have seen a vast variety of singulär animals, such as dromedaries, camels, etc., and particulary at Leipsick, where a Celebrated master of music, who had already arrived to his 88 th year, received his sight by my hands; it is with this very man that the famous Handel was first educated, and with whom I once thought to have the same success, having all circumstances in his favour, motions of the pupil, light, etc., but upon drawing the curtain we found the bottom defective from a paralytic disorder.“ Daran knüpft Terry die Schlußfolgerung, daß, wenn Taylors Darstellung zuverlässig ist, Bach bereits früher einen Schlaganfall erlitten haben müßte, und vermutet als Zeitpunkt den Mai 1749, wodurch „Herrn Gottlob Har rern Proba zu künftigem Cantorat zu St.Thomä, wenn der Capellmeister und Cantor Herr Sebastian Bach versterben sollte“ 8 , hinreichend erklärt sein würde. Diese sehr einleuchtende Version ist gelegentlich in der späte ren Literatur wieder anzutreffen. Sie ist, um nur ein Beispiel zu nennen, von Schering in seinem Aufsatz „Thomaskantor Johann Gottlob Harrer“ ange führt. 9 Newman Flower 10 hat in seiner Händelbiographie diese Stelle aus der „History“ Taylors ebenfalls zitiert. Die Interpretation dieses Textes weicht im wesentlichsten Punkte von der Terrys ab: nicht Bach, sondern Händel hätte einen das Auge zerstörenden Schlaganfall gehabt. Ursache für die un terschiedliche Auslegung ist vermutlich das and vor with whom, wodurch with whom der Syntax nach allerdings nur auf Bach bezogen werden kann. Erst wenn das and gestrichen wird, muß with whom auf Händel bezogen wer den, und erst dann wird Übereinstimmung mit dem Inhalt des ganzen Satzes hergestellt. * 11 Das Vorhandensein des and kann auf eine ungenaue Aus drucksweise Taylors zurückzuführen sein, kann aber auch z.B. vom Setzer des Originalwerkes verschuldet sein, der vielleicht in wohlmeinender Ab sicht nach Deutlichkeit das and einschob. Selbst wenn hieran noch Zweifel bestehen könnten, so dürfte doch der Inhalt des gesamten Satzes diese restlos beheben. Im ersten Teil erklärt Taylor, dem berühmten master of music (den Namen hat er bereits vergessen, und über sein Alter wie auch über die Beziehungen zu Händel befindet er sich im Irrtum) durch seine Hände das Augenlicht wiedergegeben zu haben (was zwar ein noch größerer Irrtum, hier aber bedeutungslos ist). Er kann im zweiten Teil desselben Sat- 8 Joh. Salomon Riemers Fortsetzung von VogelsLeipzigischem Jahrbuch. (Joh. Jacob Vogel: Leipzigisches Geschicht-Buch oder Annales. Leipzig 1714.) II.Band 1738/54. Manuskript im Stadtarchiv Leipzig. 9 Arnold Schering, Der Thomaskantor Johann Gottlob Harrer. Bach-Jahrbuch 1931. 10 Newman Flower, George Frideric Handel. London 1923. 11 In der deutschen Ausgabe der Terryschen Biographie — Johann Sebastian Bach, Leip zig 1929 — verdeutlicht die Übersetzerin Alice Klengel den Satz so, daß Händel die Bezugsperson wird. Dadurch ist Terrys Schlußfolgerung allerdings ohne Basis im Zitat.